September 30, 2024
Abschiebung aus Kirchenasyl in Hamburg sorgt für breite Diskussion

In Hamburg hat die Innenbehörde erstmals einen Flüchtling aus dem Kirchenasyl abgeschoben. Wie die Behörde mitteilte, sei die Rücküberstellung des 29-jährigen afghanischen Staatsbürgers nach Schweden am Montagmorgen erfolgt. Zuvor hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Prüfung individueller Härten abgelehnt. Die Ausländerbehörde Hamburg sei lediglich Vollzugsbehörde und müsse die Rücküberstellung übernehmen, hieß es weiter. Der 29-Jährige hatte in einer katholischen Pfarrei der Hansestadt Zuflucht gefunden.

Der Mann war 2015 aus Afghanistan nach Schweden geflohen und bei Angehörigen untergekommen. Nachdem sein Asylantrag in Schweden abgelehnt worden war, reiste er nach Deutschland ein. Hier stellte er einen erneuten Asylantrag, der jedoch vom BAMF mangels Zuständigkeit abgelehnt wurde. Daraufhin begab sich der Mann im Sommer ins Kirchenasyl.

Die Bischöfin der evangelisch-lutherischen Nordkirche, Kirsten Fehrs, zeigte sich besorgt über die Abschiebung. „Die Abschiebung eines jungen Mannes aus einem Kirchenasyl der katholischen Kirche in Hamburg erfüllt mich mit großer Sorge. Kirchenasyl ist keine leichtfertige Entscheidung, sondern eine Form des humanitären Schutzes“, sagte Fehrs laut Mitteilung. Sie ist auch amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Kirchengemeinden gewährten diesen Schutz nach sorgfältiger Prüfung, wenn sie in der Umsetzung des Asylrechts schwerwiegende Mängel oder Gefahr für Leib und Leben sehen. In den vergangenen Wochen habe es bundesweit immer wieder Fälle gegeben, in denen staatliche Behörden das Kirchenasyl gebrochen hätten. „Als Kirchen werden wir weiter gemeinsam dafür eintreten, dass das Kirchenasyl als letzte Zuflucht im Sinne einer menschenwürdigen Asylpraxis erhalten bleibt.“

Die Linksfraktion der Hamburgischen Bürgerschaft kritisierte die Räumung des Kirchenasyls als absoluten Tabubruch. „Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass das in Hamburg passieren kann. Die kirchliche Entscheidung, einem Menschen Asyl zu geben, darf nicht angetastet werden. Abschiebungen aus dem Kirchenasyl darf es nicht geben!“, sagte Carola Ensslen, fluchtpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion laut Mitteilung.

Das Kirchenasyl müsse als gesellschaftlich anerkannter Schutz respektiert werden, auch wenn es sich im rechtlichen Sinn nicht um ein echtes Asyl handele. „Ich erwarte von Innensenator Andy Grote, dass er den Kirchen eine verbindliche Zusage macht, dass so etwas nicht wieder geschieht.“

Der Fall sorgt auch innerhalb der katholischen Kirche für Diskussionen. Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße kritisierte das Vorgehen der Behörden. Der „Bruch des Kirchenasyls“ mache ihn sehr betroffen, sagte Heße. „Das Kirchenasyl ist ein letztes Mittel zur Abwendung unzumutbarer humanitärer Härten. Es geht darum, im Austausch mit den staatlichen Stellen im konkreten Einzelfall eine verantwortbare Lösung zu finden.“ Das Kirchenasyl diene somit auch der rechtsstaatlichen Ordnung.

Umso wichtiger sei es, sagte Heße, dass die Behörden die Tradition des Kirchenasyls respektierten. Der Afghane habe sich in einer „überaus schwierigen Lage“ befunden, so Heße. Von den Behörden seien die „befürchteten humanitären Härten, auf die vonseiten der katholischen Kirchengemeinde aufmerksam gemacht wurde“, nicht beachtet worden. Nach Angaben des Erzbistums Hamburg wurde der Mann nachts und unangekündigt von der Polizei aus seiner Unterkunft geholt. Einem Sprecher des Erzbistums zufolge waren gesundheitliche Gründe ausschlaggebend – offenbar ist der Mann schwer krank.

Vertreter der in Hamburg mitregierenden Grünen sowie der Linken kritisierten das Vorgehen der Behörden. Es würden nur sehr ausgewählte Einzelfälle nach eingehender Prüfung ins Kirchenasyl aufgenommen, daher sei die Zahl der Fälle sehr gering, sagte Michael Gwosdz, Abgeordneter der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Vor diesem Hintergrund ist der Bruch des Kirchenasyls völlig unverständlich. Wir fordern den Innensenator auf, das Kirchenasyl auch weiterhin zu respektieren“, so Gwosdz. In Hamburg regieren SPD und Grüne gemeinsam; im kommenden März wird die Bürgerschaft neu gewählt.

Der Fall wirft die Frage auf, wie weit der Schutz durch das Kirchenasyl reicht. Grundsätzlich ist Kirchenasyl in Deutschland nicht gesetzlich geregelt. Es handelt sich um eine kirchliche Praxis, die auf einer jahrhundertealten Tradition beruht. In der Regel respektieren die staatlichen Behörden das Kirchenasyl. In den vergangenen Jahren hat es jedoch immer wieder Fälle gegeben, in denen die Polizei Kirchenasyle geräumt hat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Behörden davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für ein Kirchenasyl nicht vorliegen oder wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht.

Der Fall des afghanischen Flüchtlings in Hamburg zeigt, dass das Kirchenasyl ein umstrittenes Thema ist. Es ist zu erwarten, dass die Debatte über den Schutz von Flüchtlingen im Kirchenasyl auch in Zukunft weitergeführt wird.

Quellen:

  • https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/empoerung-ueber-bruch-des-kirchenasyls-in-hamburg-110019337.html
  • https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/hamburg-schiebt-erstmals-fluechtling-aus-kirchenasyl-ab-110018632.html
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