19.10.2024
AfD in Thüringen: Ein Blick auf die Wählerverhältnisse im ländlichen Raum

Landtagswahl in Thüringen: Für sie ist die AfD eine ganz normale Partei

In einem kleinen Dorf im Kyffhäuserkreis haben fast 60 Prozent der Bewohner die Alternative für Deutschland (AfD) gewählt. Dies wirft die Frage auf, was zu diesem hohen Stimmenanteil geführt hat. Eine Spurensuche mit dem Bürgermeister von Niederbösa, Maik Steinacker, gibt Einblicke in die Hintergründe dieser Wahlentscheidung.

Niederbösa, malerisch in der hügeligen Landschaft Thüringens gelegen, ist etwa eine Dreiviertelstunde Autofahrt von Erfurt entfernt. In diesem Dorf leben 119 Menschen, von denen 98 wahlberechtigt sind. Die Wahlbeteiligung war bemerkenswert, und die Verteilung der Stimmen zeigt ein klares Bild: Während die AfD 38 Stimmen erhielt, gingen die restlichen Stimmen auf andere Parteien wie die CDU, die Linkspartei und die SPD. Die Grünen und die FDP blieben gänzlich ohne Stimmen.

Der Bürgermeister und seine Sicht auf die Wahl

Maik Steinacker, der seit acht Jahren Bürgermeister ist, äußert sich ratlos über die Wahlentscheidung der Dorfbewohner. Er betont, dass die Dorfgemeinschaft stark sei und es keinen nennenswerten politischen Streit gebe. Die AfD sei in seiner Wahrnehmung keine Partei, die im Dorf aktiv um Stimmen geworben hätte. Der AfD-Direktkandidat habe sich nie im Dorf blicken lassen, und dennoch habe die Partei mehr Erststimmen erhalten als der CDU-Kandidat, der an einer lokalen Veranstaltung teilgenommen hatte.

Steinacker selbst hat nicht für die AfD gestimmt. Er erklärt, dass er die Partei in ihrer ersten Legislaturperiode im Landtag noch akzeptabel fand, jedoch seitdem eine Besetzung der Landesliste durch rechtsextreme Personen unter Björn Höcke stattgefunden habe. Dies sei für ihn nicht wählbar. Dennoch glaubt er, dass die Stimmen für die AfD Ausdruck einer breiten Unzufriedenheit sind, die sich in einer Protestwahl manifestiert.

Ursachen für die Unzufriedenheit

Die Unzufriedenheit im Dorf ist vielschichtig. Steinacker nennt mehrere Faktoren, die zur Wahl der AfD beigetragen haben könnten. Eine direkte Busverbindung zur nächsten Stadt, Sondershausen, fehlt, und die medizinische Versorgung wird zunehmend schlechter. Die Dorfbewohner müssen oft lange auf Arzttermine warten, was für ältere Menschen eine große Herausforderung darstellt. Diese Umstände führen dazu, dass sich viele Menschen in ihrer Lebensqualität eingeschränkt fühlen.

Ein weiteres Problem ist die Suche nach Gemeindehelfern. Trotz der Verfügbarkeit junger Menschen im Dorf, die arbeiten könnten, gibt es Schwierigkeiten, geeignete Personen zu finden. Dies führt zu einem sichtbaren Verfall der öffentlichen Flächen, was die Frustration der Dorfbewohner weiter verstärkt.

Die AfD als normale Partei

Im Gespräch mit den Dorfbewohnern wird deutlich, dass viele die AfD als eine ganz normale Partei wahrnehmen. Ronny Wächtler, ein 46-jähriger AfD-Wähler, erklärt, dass er die AfD nicht als extremistisch empfindet. Für ihn ist die Partei eine legitime politische Kraft, die sich mit Themen auseinandersetzt, die ihm wichtig sind. Wächtler ist im Simsonverein aktiv und sieht die politische Diskussion in diesem Kontext nicht als zentral an.

Die Wahrnehmung der AfD hat sich in den letzten Jahren verändert. Immer mehr Menschen in Thüringen wählen die Partei nicht nur aus Protest, sondern aus Überzeugung. In Umfragen zeigen sich Anzeichen, dass die AfD in mehreren Themenbereichen, wie Asylpolitik und sozialer Gerechtigkeit, als kompetent wahrgenommen wird. Dies ist ein bedeutender Wandel in der politischen Landschaft, der nicht ignoriert werden kann.

Gesellschaftliche Spaltungen und Ängste

Die Wahl hat auch gesellschaftliche Spannungen in Niederbösa sichtbar gemacht. Corina Schlicht, eine Wählerin des BSW, äußert ihre Ängste bezüglich der politischen Entwicklung. Sie berichtet von Konflikten mit Nachbarn, die sich aus politischen Differenzen ergeben haben. Solche Konflikte sind nicht selten und zeigen, wie tief die Gräben in der Gesellschaft verlaufen können.

Schlicht und ihr Mann haben bereits darüber nachgedacht, aus dem Dorf wegzuziehen, da sie sich in der aktuellen politischen Atmosphäre unwohl fühlen. Die Vorstellung, dass die AfD an der Regierung beteiligt sein könnte, macht ihnen Angst, ebenso wie die Möglichkeit, dass die Wähler der AfD immer wütender werden könnten. Diese Ängste sind nicht nur persönlich, sondern spiegeln auch ein größeres gesellschaftliches Problem wider.

Fazit

Die Landtagswahl in Thüringen hat gezeigt, dass die AfD in ländlichen Regionen wie Niederbösa eine starke Unterstützung genießt. Die Gründe dafür sind vielschichtig und reichen von Unzufriedenheit mit der politischen und sozialen Lage bis hin zu einer veränderten Wahrnehmung der Partei selbst. Die politische Landschaft in Thüringen ist im Wandel, und die Wähler haben deutlich gemacht, dass sie bereit sind, ihre Stimme für eine Partei abzugeben, die sie als Ausdruck ihrer Sorgen und Nöte sehen.

Die kommenden Monate werden zeigen, wie sich die politische Situation entwickeln wird und welche Konsequenzen die Wahlergebnisse für die Gesellschaft in Thüringen haben werden.

Quellen: FAZ, MDR, ZDF.

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