Die Medienlandschaft in Afghanistan befindet sich in einem Zustand ständiger Unsicherheit und Anpassung. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) am 16.11.2024 berichtete, stehen Medienunternehmen vor der Herausforderung, ihre Arbeit unter den Restriktionen der Taliban-Regierung fortzusetzen. Saad Mohseni, Leiter der Moby-Gruppe, einem der größten Medienunternehmen Afghanistans, schilderte in einem Interview mit der F.A.Z. die Schwierigkeiten und Widersprüche, mit denen die Medien im Land konfrontiert sind.
Obwohl die Taliban strenge Tugendgesetze erlassen haben, die unter anderem Frauen in der Öffentlichkeit zum Schweigen bringen sollen, berichtet Mohseni, dass diese Gesetze in der Praxis oft nicht umgesetzt werden. So arbeiten weiterhin Journalistinnen für die Moby-Gruppe, sowohl vor der Kamera als auch im Radio. Die F.A.Z. zitiert Mohseni mit den Worten: „Die Taliban sagen, es sei falsch verstanden worden.“ Diese Diskrepanz zwischen offiziellen Verordnungen und der tatsächlichen Praxis prägt den Alltag der afghanischen Medien.
Trotz der fortgesetzten Arbeit von Journalistinnen gibt es Einschränkungen. Laut F.A.Z.-Bericht müssen Journalistinnen Masken tragen, die Mund und Nase bedecken. Gemeinsame Studioauftritte von Männern und Frauen sind untersagt. Auch die Bereitschaft von Taliban-Sprechern, von Frauen interviewt zu werden, ist begrenzt. Dennoch können Journalistinnen, so Mohseni, weiterhin Interviews führen, insbesondere in städtischen Gebieten. Die Situation im ländlichen Raum, besonders in konservativen Provinzen, bleibt jedoch schwierig.
Ein weiteres Beispiel für die widersprüchliche Politik der Taliban ist das Verbot der Darstellung von Lebewesen in den Medien. Die F.A.Z. berichtet, dass einige Lokalbüros des staatlichen Fernsehens geschlossen wurden. Gleichzeitig wird das staatliche Fernsehprogramm jedoch weiterhin ausgestrahlt. Mohseni vermutet, dass diese Gesetze eher dazu dienen, die radikaleren Elemente innerhalb der Taliban zufriedenzustellen, als tatsächlich flächendeckend umgesetzt zu werden.
Angesichts des Schulverbots für Mädchen durch die Taliban hat Tolo, ein Fernsehsender der Moby-Gruppe, Bildungsprogramme für Mädchen der Klassen sieben bis neun entwickelt. Wie die F.A.Z. berichtet, zeigen diese Programme beachtliche Erfolge. Mohseni betont jedoch, dass diese Programme den Schulbesuch nicht ersetzen können und lediglich eine Notlösung darstellen.
Die F.A.Z. thematisiert auch das ambivalente Verhältnis der Taliban zu den freien Medien. Trotz der früheren Feindseligkeit gegenüber Tolo haben die Taliban den Sender nach ihrer Machtübernahme nicht geschlossen. Mohseni führt dies auf die Heterogenität innerhalb der Taliban-Bewegung zurück. Pragmatische Strömungen erkennen offenbar den Nutzen eines vielfältigen Mediensektors, der ihnen Informationen über das Geschehen im Land liefert und die Verbreitung ihrer Botschaften ermöglicht.
Der Arbeitsalltag afghanischer Journalisten ist von ständiger Unsicherheit geprägt. Die F.A.Z. zitiert Mohseni, der die Mitarbeiter seiner Gruppe als hochmotiviert und mutig beschreibt. Sie sind ständigen Einbestellungen durch den Geheimdienst und das Tugendministerium ausgesetzt. Gleichzeitig ist die Fluktuation hoch, da qualifizierte Journalisten oft ins Ausland abwandern. Dies führt zu einem ständigen Kreislauf aus Einstellung, Ausbildung und Verlust von Mitarbeitern.
Mohseni appelliert an die internationale Gemeinschaft, sich mit den Taliban auseinanderzusetzen, um die humanitäre Lage in Afghanistan zu verbessern. Die F.A.Z. berichtet, dass Mohseni die fehlende direkte Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft mit der afghanischen Regierung als erschwerend für die Hilfsmaßnahmen kritisiert.
Die Medienlandschaft in Afghanistan bleibt fragil und von Unsicherheiten geprägt. Der von der F.A.Z. geführte Einblick in die Arbeit der Moby-Gruppe verdeutlicht die Herausforderungen, denen sich Journalisten im Land stellen müssen, und die komplexen Dynamiken zwischen den Taliban und den freien Medien.
Quellen: