26.2.2025
Antibiotika-Alarm in Baden-Württemberg: Rekord-Verschreibungen und drohende Resistenzen
Anstieg der Antibiotika-Verschreibungen in Baden-Württemberg: Ursachen und Folgen

Anstieg der Antibiotika-Verschreibungen in Baden-Württemberg: Ursachen und Folgen

Die Verschreibung von Antibiotika in Baden-Württemberg hat im Jahr 2023 ein besorgniserregendes Niveau erreicht. Wie die Zeit unter Berufung auf eine dpa-Meldung berichtet, wurden 4,1 Millionen Packungen Antibiotika abgerechnet – deutlich mehr als in den Vorjahren und sogar mehr als vor der Pandemie im Jahr 2019. Zum Vergleich: 2021 wurden 2,8 Millionen und 2022 etwa 3,6 Millionen Abrechnungen registriert. Diese Zahlen beziehen sich ausschließlich auf die gesetzliche Krankenversicherung (GKV).

Besonders alarmierend ist der hohe Anteil an Reserveantibiotika, die als letzte Therapieoption bei schweren Infektionen zum Einsatz kommen sollten. Wie die Zeit in der gleichen Meldung schreibt, wurden in Baden-Württemberg 1,9 Millionen Reserveantibiotika verordnet, was einem Anteil von 46,6 Prozent aller Antibiotikaverordnungen entspricht. Dieser Wert liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 43,4 Prozent. Arzneimittelexperte Frank Wienands von der AOK Baden-Württemberg kritisiert diesen Trend: „Wenn fast jedes zweite verordnete Antibiotikum ein Reserveantibiotikum ist, kann von Reserve keine Rede mehr sein.“ Er warnt vor der Gefahr zunehmender Resistenzen, die die Behandlung lebensbedrohlicher Infektionen erschweren können.

Ein Grund für den Anstieg der Verschreibungen sieht Wienands, laut der Zeit/dpa Meldung, in der ärztlichen Praxis: Oft werde ein Antibiotikum verordnet, ohne vorher zu testen, ob es überhaupt hilft. Teilweise erhielten Patienten auch bei normalen Erkältungen Antibiotika, obwohl diese bei viralen Infektionen wirkungslos sind. Ähnliche Kritik äußert das Universitätsklinikum Freiburg, wie die Zeit berichtet. Eine Studie aus dem Jahr 2021, deren Ergebnisse im November vorgestellt wurden, attestiert Krankenhäusern in Baden-Württemberg deutliche Mängel bei der Antibiotika-Verschreibung. Oft würden Breitbandantibiotika bevorzugt, obwohl in vielen Fällen ein Mittel mit schmalerem Wirkspektrum ausreichend gewesen wäre.

Die Kassenärztliche Vereinigung verteidigt die Mediziner. Wie die Zeit berichtet, sieht Sprecher Kai Sonntag die Ärzte im Großen und Ganzen verantwortungsvoll mit der Verordnung von Antibiotika umgehen. Es gebe zudem einen Austausch mit den Praxen, um das Verordnungsverhalten zu optimieren.

Die Problematik der Antibiotikaresistenzen ist nicht neu. Bereits 2009 untersuchte die EVA-Studie (Einflüsse auf die ärztliche Verschreibung von Antibiotika) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit die Faktoren, die die Antibiotikaverordnung beeinflussen. Die Studie, die unter anderem Fokusgruppendiskussionen und einen bundesweiten Survey unter Ärzten umfasste, zeigte, dass neben der Indikation und Diagnose auch Faktoren wie das Arzt-Patienten-Verhältnis, die Verfügbarkeit von Leitlinien und der Einfluss der Pharmaindustrie eine Rolle spielen.

Die zunehmende Resistenzentwicklung erfordert ein umfassendes Vorgehen. Wie aus einem Antrag im Landtag von Baden-Württemberg aus dem Jahr 2015 hervorgeht, sind neben der Optimierung der Verschreibungspraxis auch die Forschung im Bereich neuer Wirkstoffe und die Aufklärung der Bevölkerung wichtige Handlungsfelder.

Auch der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Tiermast trägt zur Resistenzentwicklung bei. Die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes, die 2015 in Kraft trat, zielt darauf ab, den Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung zu minimieren und Betriebe mit einem vergleichsweise hohen Verbrauch zu identifizieren und zu Maßnahmen zur Reduktion zu verpflichten. Wie aus einem Informationsblatt des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg hervorgeht, konzentriert sich die Novelle auf Mastbetriebe bestimmter Tierarten und Größenordnungen.

Der Anstieg der Antibiotika-Verschreibungen in Baden-Württemberg ist ein komplexes Problem, das ein gemeinsames Handeln von Ärzten, Patienten, Politik und Forschung erfordert. Nur durch einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika kann die Wirksamkeit dieser wichtigen Medikamente auch in Zukunft gewährleistet werden.

Verwendete Quellen:

https://www.zeit.de/news/2025-02/26/warum-verschreiben-aerzte-immer-mehr-antibiotika

https://www.aerzteblatt.de/archiv/antibiotikaverordnung-in-der-ambulanten-versorgung-f0195015-5e54-4443-b778-908e902bcd4b

https://mlr.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mlr/intern/dateien/PDFs/Tierschutz_und_Tiergesundheit/Fragen_und_Antworten_zur_16._Novelle_des_Arzneimittelgesetzes.pdf

https://www.mre-netzwerk-mittelhessen.de/antibiotika.html?file=files/cto_layout/pdf/DOWNLOADS_NEU/EVA_BMG_Schlussbericht.pdf&cid=115030

Hinweis: Dieser Artikel wurde mithilfe von ki erstellt.
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