Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Daten aus dem verschlüsselten Messengerdienst EncroChat auch nach der Einführung des Cannabis-Gesetzes in Strafverfahren gegen mutmaßliche Drogendealer verwertbar sind. Wie die Zeit unter Berufung auf eine Meldung der dpa berichtet, hat der BGH damit die höchstrichterliche Rechtslage geklärt.
Nach der Teillegalisierung von Cannabis im April 2024 hatten mehrere Gerichte die EncroChat-Daten als nicht mehr verwertbar eingestuft und Angeklagte freigesprochen. Die Begründung: Die vorgeworfenen Taten würden nun anders bewertet. Der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig stellte nun jedoch klar, dass die rechtmäßige Erlangung der Daten entscheidend ist, nicht die spätere Bewertung der Tat. Wie in der BGH-Mitteilung heißt es, ändere sich die Bewertung einer Tat im Laufe des Verfahrens, führe dies nicht zur Unverwertbarkeit rechtmäßig erlangter Daten.
Die deutschen Ermittler erhielten die Daten aus den verschlüsselten Chats im Jahr 2020 von französischen Behörden. Zum damaligen Zeitpunkt war die Übermittlung nach damaliger Gesetzeslage rechtmäßig (Az. 5 StR 528/24). Der BGH stützt sich dabei unter anderem auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts zu EncroChat. Wie vom Standard berichtet, war EncroChat ein verschlüsseltes Kommunikationssystem, das von Kriminellen für Drogengeschäfte, Mordanschläge, Überfälle und Geldwäsche genutzt wurde. Französische und niederländische Behörden knackten das System und zerschlugen das kriminelle Netzwerk. Im Zuge internationaler Rechtshilfe wurden die dabei gewonnenen Daten an deutsche Kollegen weitergegeben. Dies führte zu zahlreichen Ermittlungsverfahren, beispielsweise wegen Drogengeschäften in Millionenhöhe und gegen Rockerbanden.
Im konkreten Fall, auf den sich das BGH-Urteil bezieht, hatte das Landgericht Berlin I einen Angeklagten im Mai 2024 wegen Handels mit großen Mengen Cannabis freigesprochen. Die Argumentation des Landgerichts: Eine gravierende Ermittlungsmaßnahme wie eine Online-Durchsuchung sei nach der neuen Gesetzeslage nicht mehr zulässig. Wegen anderer Drogengeschäfte mit Ecstasy und Kokain wurde der Mann zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft legte Revision ein. Der BGH hob das Urteil in Bezug auf den Freispruch auf. Das Landgericht muss nun neu verhandeln. Die Entscheidung des BGH bezieht sich auf den Handel mit einer sogenannten nicht geringen Menge Cannabis. Der Grenzwert liegt laut BGH weiterhin bei 7,5 Gramm des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) (Az. 1 StR 106/24).
Verwendete Quellen:
https://www.zeit.de/news/2025-01/30/bgh-encrochat-daten-bei-cannabis-prozessen-verwertbar https://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/00220183221113455 https://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/Crim/2021/128.html https://www.5sah.co.uk/knowledge-hub/articles/2020-11-12/encrochat-update-applications-to-exclude-evidence-must-be-made-in-the-crown-court