19.10.2024
Bildende Kunst: Ein neuer Anfang in Kochel

Bildende Kunst: „Ein Aufatmen, hierherzukommen“

Jessica Keilholz-Busch ist die neue Direktorin des Kochler Franz-Marc-Museums. Wer sie beim Ausstellungsaufbau besucht, erfährt einiges über die Kraft der Kunst - und einen wunderbaren Ort.

Von Paul Schäufele, Kochel am See

Mit weißen Handschuhen rückt sie das Tier in die rechte Position. Millimetergenaues Arbeiten ist das, die liegenden, stehenden, knienden Rehe von Renée Sintenis sollen in harmonischer Komposition liegen, stehen und knien. Zur selben Zeit wird ein anderes Kunstwerk angeliefert, die Kuriere warten. Denn auch dieses Reh, subtil von Sigmar Polke gestaltet und ansonsten in der Sammlung des Münchner Museums Brandhorst gehütet, will an seinen Platz. Doch Jessica Keilholz-Busch ist nicht aus der Ruhe zu bringen.

Mit raschen, nicht eiligen, Schritten geht sie übers Parkett im zweiten Obergeschoss, vorbei an den Staubsaugern und anderem Gerät, das gebraucht wird, um eine Ausstellung einzurichten. Aus dem Fenster, das normalerweise den Schlusspunkt des Museums-Rundgangs bildet, schaut sie mit hellen blauen Augen. Der Blick ruht auf der Seelandschaft, die Berge im Hintergrund. „Mein Mann und ich sehen jetzt manchmal, wie die Leute im Museum aus diesem Raum hinausschauen“, sagt Keilholz-Busch lächelnd. „Das ist jetzt auch unser Ausblick.“ Seit ein paar Wochen ist sie Direktorin des Franz-Marc-Museums in Kochel, ihre Wohnung liegt direkt neben dem neuen Arbeitsort.

Die Direktorin an ihrem neuen Arbeitsplatz. (Foto: Manfred Neubauer)

Kochel ist die aktuelle Station eines Lebenslaufs, der in Mönchengladbach seinen Anfang nahm. Die Kunstbegeisterung, die sich in jedem von Keilholz-Buschs Sätzen überträgt, wurde in der Schulzeit geweckt. Der Kunstlehrer, selbst Beuys-Schüler, habe der Klasse im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum die Räume des in Düsseldorf lehrenden Meisters gezeigt. „Das war ein erhellendes Erlebnis, ein Erlebnisschock!“, erinnert sich Keilholz-Busch. Der Drang, selbst künstlerisch zu produzieren, sei aber nicht im Zentrum gestanden. „Mich hat interessiert, wie Dinge funktionieren: Wie entsteht Tiefenschärfe? Welche Drucktechniken gibt es?“

Kunst als Zugang zur Geschichte

Das Studium – zunächst Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis, dann Kunstgeschichte – führt Keilholz-Busch nach Hildesheim und Bonn. „Was mich an Kunstgeschichte interessiert hat, ist auch das: einen Zugang zu Geschichte zu bekommen, das ästhetische Empfinden oder auch die Gender-Bilder einer Epoche zu erfahren“, sagt sie. Praktische Erfahrungen sammelt Keilholz-Busch während des Volontariats in der Frankfurter Kunsthalle Schirn, im Düsseldorfer Kunstpalast und im Art Center Basel, um schließlich im Duisburger Lehmbruck-Museum als Kuratorin zu arbeiten.

Alles Großstädte. Ob sie sich, nach den Jahren in urbanen Räumen, in Kochel nicht langweile? Jessica Keilholz-Busch bekommt beim Lächeln Grübchen. „Nein, gar nicht. Es ist für mich eher ein Aufatmen, hierherzukommen“, sagt sie. „Ich muss mir nur noch ein Stand-up-Paddling-Board besorgen und einen Skipass.“ Außerdem gebe es eine hohe kulturelle Dichte mit der Kochler Werkstatt für Transformationen und dem Netz an Kunstschaffenden der Region, die nach wie vor von der Gruppe Blauer Reiter inspiriert sind.

Weitere
Artikel