Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, äußerte bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin seine Besorgnis über eine wachsende Eskalationsbereitschaft Russlands und die Möglichkeit, dass Moskau die Solidarität der NATO-Partner auf die Probe stellen könnte. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet, Kahl habe die zunehmende Aggressivität Russlands gegenüber dem Westen und den umfassenden Einsatz hybrider Kriegsführung hervorgehoben. Die Bereitschaft Moskaus zu weiterer Eskalation erreiche ein neues Niveau. Die SZ zitiert Kahl: "Mit dem umfassenden Einsatz der hybriden Methoden und den Mitteln durch Russland steigt auch das Risiko, dass sich irgendwann die Frage eines Nato-Bündnisfalls stellt".
Auch dpa und Reuters berichten über Kahls Warnungen. Dem BND-Chef zufolge besteht die Gefahr, dass Russland die Bündnisfähigkeit der NATO testen könnte. Als denkbare Szenarien nannte er Provokationen wie den Einsatz sogenannter "kleiner grüner Männchen" im Baltikum unter dem Vorwand des Schutzes russischer Minderheiten oder eine "territoriale Bereinigung" auf Spitzbergen gegenüber Norwegen. Solche Aktionen könnten einen Bündnisfall gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrags auslösen.
Kahl unterstrich zudem die Bedeutung des russischen Militäraufbaus. Wie die Welt berichtet, rechnet der BND-Präsident damit, dass die russischen Streitkräfte gegen Ende des Jahrzehnts in der Lage sein werden, einen Angriff auf den Westen durchzuführen. Damit würde eine militärische Konfrontation mit der NATO für den Kreml zu einer realistischen Option.
Besonders beunruhigend ist laut Blick die Einschätzung des BND, dass hochrangige Vertreter im russischen Verteidigungsministerium die Beistandsverpflichtung der USA im Ernstfall anzweifeln. Setze sich diese Ansicht in Moskau durch, erhöhe sich das Risiko einer militärischen Auseinandersetzung in den kommenden Jahren. Dabei gehe es Russland laut Kahl (t-online) nicht primär um weitreichende territoriale Eroberungen, sondern darum, die NATO als Verteidigungsbündnis zu schwächen und zu spalten.
Die Rheinische Post zitiert Kahl mit den Worten: "Russland bereitet sich auf einen Krieg mit dem Westen vor." Er betonte, dass der Kreml im Ernstfall wahrscheinlich keinen groß angelegten Angriff auf NATO-Staaten durchführen, sondern versuchen würde, die Beistandsverpflichtung der NATO zu untergraben und das Bündnis zu spalten.
Zusätzlich zu den militärischen Bedrohungen warnte Kahl laut t-online vor russischen Versuchen, die Bundestagswahl zu beeinflussen. Dabei gehe es weniger um die Manipulation des Wahlvorgangs selbst, sondern vielmehr um die Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch das Schüren gesellschaftlicher Konflikte. Themen wie die Corona-Pandemie oder der Klimawandel würden vom Kreml analysiert und gezielt eingesetzt, um die politische Landschaft in Deutschland zu polarisieren.