Die deutsche Comic-Szene erlebt eine faszinierende Entwicklung: Musik und sequentielle Kunst verschmelzen zunehmend. Zwei neue Comic-Anthologien, veröffentlicht vom Ventil Verlag und Reprodukt, erkunden diese Verbindung auf unterschiedliche Weise. Ein Sampler konzentriert sich auf eine einzige Band, während der andere eine vielfältige Auswahl an Lieblingsliedern verschiedener Künstler präsentiert.
Der Ventil Verlag, bekannt für seine innovativen „Songcomics“, widmet sich diesmal der deutschen Kultband Trio. Wie Andreas Platthaus in der FAZ berichtet, haben zehn Zeichner*innen Songs des Albums „Ab dafür“ in Comicform interpretiert. Die Originaltexte der Lieder wurden beibehalten und ermöglichen so eine visuelle Erfahrung der Musik. Die Auswahl der Künstler*innen ist abwechslungsreich und umfasst sowohl etablierte Namen wie Nicolas Mahler und Mawil als auch aufstrebende Talente wie Sandra Rummler. Besonders spannend ist die jeweilige Herangehensweise an das Material. Rummler beispielsweise setzt den Song „Out in the Streets“ in urbanen Nachtszenen in Szene, die im Kontrast zum eher ländlichen Ursprung von Trio stehen. Mawil und Gregor Hinz hingegen überraschen mit einer erstaunlich textgetreuen Umsetzung von „Anna – lassmichrein lassmichraus“, trotz des minimalistischen Textes des Liedes. Klaus Cornfield, selbst Musiker und Comic-Veteran, gestaltete das Cover und visualisierte „Broken Hearts for You and Me“ als eine Art Bandgeschichte.
Der zweite Sampler, „Mukkekukke“, herausgegeben von Anke Kuhl und Moni Port und erschienen bei Reprodukt, verfolgt ein anderes Konzept. Hier haben siebzehn Künstler*innen ihre persönlichen Lieblingslieder ausgewählt und visuell umgesetzt. Wie der Tagesspiegel berichtet, reicht das Spektrum von Popsongs wie „Ein Elefant für dich“ von Wir sind Helden bis hin zu Klassikern wie Rossinis Katzenduett oder Henry Mancinis „Baby Elephant Walk“. Im Gegensatz zum Trio-Sampler sind hier vorwiegend Bilderbuchkünstler*innen vertreten, was die unterschiedliche Ausrichtung der beiden Projekte unterstreicht. Trotz der heterogenen Musikauswahl verbindet die Beiträge die hohe grafische Qualität. Ein besonderes Extra von „Mukkekukke“ sind die QR-Codes im Anhang, die das Anhören der jeweiligen Lieder auf verschiedenen Streaming-Plattformen ermöglichen.
Musikcomics sind kein neues Phänomen. Reinhard Kleist beispielsweise feierte mit seiner Johnny Cash-Biographie „Cash – I See a Darkness“ vor 18 Jahren einen internationalen Erfolg. Die beiden neuen Sampler verdeutlichen jedoch das vielfältige Potenzial des Genres, Musik und Bild zu verknüpfen. Während der Ventil Verlag auf die intensive Auseinandersetzung mit einer einzelnen Band setzt, präsentiert Reprodukt einen bunten Querschnitt durch die musikalischen Vorlieben verschiedener Künstler*innen. Beide Projekte tragen dazu bei, die Musikcomic-Szene in Deutschland weiter zu fördern.