19.10.2024
Deutsche Filme im Spotlight der Geschichtsreflexion beim Filmfestival Venedig

Was wusste Leni Riefenstahl? Zwei deutsche Produktionen beim Filmfestival in Venedig

Das Filmfestival von Venedig, eines der ältesten und renommiertesten Filmfestivals der Welt, hat in seiner 81. Ausgabe erneut die Möglichkeit geboten, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. In diesem Jahr stehen zwei deutsche Produktionen im Fokus, die sich auf unterschiedliche Weise mit historischen Ereignissen und Persönlichkeiten befassen. Besonders im Mittelpunkt steht die umstrittene Filmemacherin Leni Riefenstahl, deren Werk und Einfluss bis heute diskutiert werden.

Rückblick auf die Vergangenheit

Um aus der Vergangenheit zu lernen, ist es entscheidend, sie nicht zu vergessen. Diese Prämisse zieht sich durch die beiden deutschen Filme, die beim Festival präsentiert werden. Tim Fehlbaum widmet sich in seinem Spielfilm „September 5“ dem Attentat während der Olympischen Spiele in München 1972. Der Film zeigt die Geschehnisse aus der Perspektive eines Teams von Sportreportern des amerikanischen Senders ABC, die während der Geiselnahme in Echtzeit berichten mussten. Fehlbaum gelingt es, die Dramatik und das Chaos des Tages einzufangen, ohne die verschiedenen Perspektiven der Beteiligten zu vermischen.

Gleichzeitig feierte die Dokumentation „Riefenstahl“ von Andres Veiel Premiere, die sich mit dem Leben und Werk von Leni Riefenstahl auseinandersetzt. Riefenstahl, die in der Zeit des Nationalsozialismus als Regisseurin von Propagandafilmen wie „Triumph des Willens“ und „Olympia“ bekannt wurde, bleibt eine polarisierende Figur in der Filmgeschichte. Veiels Dokumentation beleuchtet nicht nur ihre filmischen Errungenschaften, sondern auch die moralischen Implikationen ihrer Arbeit und ihren Umgang mit der eigenen Vergangenheit.

Die Dokumentation „Riefenstahl“

Die Doku „Riefenstahl“ bietet einen tiefen Einblick in das Leben der Filmemacherin, die bis zu ihrem Tod im Jahr 2003 immer wieder versuchte, sich von ihrer Vergangenheit zu distanzieren. Veiel und Produzentin Sandra Maischberger hatten Zugang zu Riefenstahls Nachlass, der zahlreiche persönliche Dokumente, Briefe und unveröffentlichtes Filmmaterial umfasst. Diese Materialien ermöglichen es, ein differenziertes Bild von Riefenstahl zu zeichnen, das über die gängigen Narrative hinausgeht.

Ein zentrales Element der Dokumentation ist die Auseinandersetzung mit Riefenstahls Behauptung, unpolitisch gewesen zu sein. Veiel präsentiert Beweise, die zeigen, dass sie sich bereits in den frühen 1930er Jahren für den Nationalsozialismus begeisterte. Ein Interview aus dem Jahr 1934, das Riefenstahl aus ihrem Nachlass entfernen ließ, belegt, dass sie Hitlers „Mein Kampf“ gelesen hatte und sich als Nationalsozialistin verstand. Diese Enthüllungen werfen ein neues Licht auf ihre Selbstinszenierung als unpolitische Künstlerin und zeigen die Diskrepanz zwischen ihrem öffentlichen Bild und ihrer tatsächlichen Überzeugung.

Die filmische Auseinandersetzung mit dem Olympiaattentat

Im Gegensatz zur Doku „Riefenstahl“ behandelt „September 5“ ein spezifisches historisches Ereignis, das die Welt erschütterte. Das Attentat auf die israelische Mannschaft während der Olympischen Spiele 1972 in München ist ein düsteres Kapitel der deutschen Geschichte. Fehlbaum konzentriert sich auf die Herausforderungen, vor denen die Reporter standen, die in einer Zeit der Unsicherheit und des Schocks die Ereignisse live übertrugen. Der Film thematisiert die ethischen Dilemmata, die sich aus der Berichterstattung über solch tragische Ereignisse ergeben, und stellt die Frage, wie Medien in Krisensituationen agieren sollten.

Beide Filme zeigen, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte nicht nur notwendig, sondern auch komplex ist. Sie erfordern eine kritische Reflexion über die eigenen Werte und die Verantwortung, die mit der Darstellung von Geschichte einhergeht. Während „Riefenstahl“ die Frage aufwirft, inwieweit Kunst und Politik miteinander verwoben sind, beleuchtet „September 5“ die Rolle der Medien in der Gesellschaft und die Herausforderungen, die sich aus der Berichterstattung über Gewalt und Terror ergeben.

Fazit

Das Filmfestival in Venedig bietet eine Plattform für wichtige gesellschaftliche Themen und ermöglicht es, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die beiden deutschen Produktionen „Riefenstahl“ und „September 5“ zeigen, wie unterschiedlich man sich mit Geschichte beschäftigen kann. Während die Dokumentation von Veiel die Komplexität und die moralischen Fragestellungen um Riefenstahl beleuchtet, bietet Fehlbaums Film einen eindringlichen Blick auf ein tragisches Ereignis, das die Welt verändert hat. Beide Filme laden dazu ein, über die Lehren der Vergangenheit nachzudenken und deren Relevanz für die Gegenwart zu erkennen.

Die Präsentation dieser Werke beim Filmfestival in Venedig ist nicht nur eine Hommage an die filmische Kunst, sondern auch ein Aufruf zur kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und den damit verbundenen ethischen Fragen.

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