19.10.2024
Deutschlands Digitalisierung am Scheideweg: Zwischen Fortschritt und Stagnation
Die Digitalisierung der öffentlichen und privaten Sektoren in Deutschland befindet sich an einem entscheidenden Punkt. Trotz unbestreitbarer Fortschritte in vielen Bereichen ist die Geschwindigkeit der digitalen Transformation mancherorts nach wie vor schleppend. Das Onlinezugangsgesetz (OZG), welches 2017 vom Bundestag verabschiedet wurde, verpflichtet Bund, Länder und Kommunen dazu, bis Ende 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen digital zu gestalten. Dennoch war die Zielmarke, bis zu diesem Zeitpunkt alle 575 Verwaltungsdienstleistungen online anzubieten, weit verfehlt. Das sogenannte OZG-Dashboard, das einen Überblick über den Digitalisierungsfortschritt bieten soll, verzeichnete Anfang 2023 lediglich 148 flächendeckend verfügbare digitale Dienstleistungen in Deutschland. Angesichts dieser Zahlen und der dringenden Notwendigkeit für eine umfassende digitale Modernisierung hat die Bundesregierung eine überarbeitete Version des Gesetzes, das OZG 2.0, auf den Weg gebracht. Zentraler Bestandteil dieser Initiative ist die verstärkte Nutzung von Open-Source-Software, die eine transparente und gemeinschaftliche Weiterentwicklung digitaler Lösungen ermöglichen soll, um Abhängigkeiten von einzelnen Herstellern zu verringern und die digitale Souveränität Deutschlands zu stärken. Die Grünen-Politikerin Misbah Khan hebt hervor, dass die schleppende Digitalisierung der Verwaltung langsam zu einem ernstzunehmenden Standortnachteil für Deutschland wird. Die Politikerin fordert einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltungsdienstleistungen, um einen entscheidenden Impuls für die Digitalisierung zu setzen. Ein weiteres Hemmnis für den Fortschritt der Digitalisierung ist der Mangel an IT-Fachkräften. Organisationen wie der Digitalverband Bitkom kritisieren die Kombination aus Fachkräftemangel und einer als übermäßig wahrgenommenen Regulierung, die die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung und in der Wirtschaft bremst. Die Komplexität der Digitalisierung, insbesondere die Vielzahl von Akteuren und unterschiedlichen Zuständigkeiten auf verschiedenen Verwaltungsebenen, macht die Umsetzung zu einer Sisyphusarbeit. Der Normenkontrollrat (NKR), ein unabhängiges Expertengremium, das die Bundesregierung berät, wirft dem Bundesinnenministerium mangelnde Transparenz bei der Umsetzung des OZG vor. Der NKR fordert eine schnellere und flächendeckende Digitalisierung der Verwaltung, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten und den Anforderungen der Bürger gerecht zu werden. Der NKR und der Beamtenbund dbb mahnen zu mehr Tempo und Mitteln bei der digitalpolitischen Agenda der Bundesregierung. Die Verwaltungsdigitalisierung wird als Daueraufgabe angesehen, und die Bundesregierung plant keine Nachfrist oder Sanktionen für die Umsetzung des OZG. Stattdessen liegt ein Fokus auf der Priorisierung bestimmter Leistungen und einem öffentlichen Monitoring des Fortschritts. Die Registermodernisierung wird als zentraler Stellhebel für die erfolgreiche Umsetzung des OZG betrachtet, denn eine Vernetzung und Harmonisierung der Daten ist essenziell für effiziente digitale Verwaltungsprozesse. Die Digitalisierung verändert die Arbeitsweise von Behörden und Unternehmen nachhaltig und eröffnet neue Möglichkeiten für Bürger und Verbraucher. Es bleibt abzuwarten, wie die konkrete Umsetzung der digitalen Agenda voranschreiten wird und ob die ambitionierten Ziele der Bundesregierung in der Praxis realisiert werden können.
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