Nach den Antisemitismus-Vorwürfen im Zusammenhang mit der documenta fifteen im Jahr 2022 hat die Stadtverordnetenversammlung Kassel weitreichende strukturelle Änderungen für die documenta und Museum Fridericianum gGmbH beschlossen. Wie die Zeit und die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichten, wird die documenta künftig einen Wissenschaftlichen Beirat erhalten. Dieser soll aus sechs Mitgliedern bestehen und den Aufsichtsrat sowie die Geschäftsführung fachlich beraten und unterstützen. Zu den Aufgaben des Beirats gehören die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursen, die Förderung der fachlich-kuratorischen Vernetzung der documenta gGmbH sowie die Einbringung internationaler und pluraler Perspektiven.
Hessens Kunstminister Timon Gremmels (SPD) begrüßte die Entscheidung. Gegenüber der dpa zeigte er sich erfreut über den positiven Verlauf der Neuaufstellung der documenta und betonte, die Einrichtung des Beirats sei eine der Empfehlungen der Organisationsuntersuchung gewesen, der sich der Aufsichtsrat einhellig angeschlossen habe. Gremmels sieht in dem Gremium eine wichtige Schnittstelle zu aktuellen Diskursen, die sowohl gesellschaftliche als auch fachliche Debatten in die documenta hineintragen könne. Er äußerte sich zuversichtlich, herausragende Expertinnen und Experten für den Beirat gewinnen zu können.
Auch der Aufsichtsrat der documenta gGmbH wird erweitert. Drei zusätzliche Mitglieder sollen hinzukommen: zwei Vertreter der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie die Vorsitzende Person des Wissenschaftlichen Beirats als nicht stimmberechtigtes Mitglied. Kassels Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender der documenta-Gesellschaft, Sven Schoeller, erklärte laut dpa, die Organisation sei nun für kommende documenta-Ausstellungen "deutlich gestärkt und ertüchtigt, um souverän und angemessen kritisch im Spannungsfeld zwischen Kunstfreiheit und Schutz der Menschenwürde zu agieren".
Die documenta fifteen war 2022 von internationalen Antisemitismus-Diskussionen überschattet. Dem indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa und einigen Künstlern wurde eine Nähe zur anti-israelischen Boykottbewegung BDS vorgeworfen. Kurz nach der Eröffnung wurde ein Werk mit antisemitischer Bildsprache entdeckt und entfernt. Weitere Werke lösten scharfe Kritik und Forderungen nach einem Abbruch der Ausstellung aus. Der Aufsichtsrat beauftragte daraufhin eine Managementberatung mit einer Organisationsuntersuchung, die unter anderem die Empfehlung zur Einrichtung eines Wissenschaftlichen Beirats aussprach.
Die documenta gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst. Die 16. Ausgabe ist vom 12. Juni bis 19. September 2027 geplant.
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