19.10.2024
Erdrotation verlangsamt: Klimawandel beeinflusst die Tageslänge

Erdrotation verlangsamt: Klimawandel macht die Tage länger

Der Klimawandel lässt die Tage auf der Erde einer Studie zufolge minimal länger werden. Das schmelzende Eis der Polargebiete verteile sich auf die Weltmeere und sorge damit für eine andere Massenverteilung auf der Erde, die die Erdrotation verlangsame, berichtet ein Forschungsteam im Fachmagazin "Proceedings" der US-nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS"). Derzeit liegt der klimabedingte Effekt auf die Tageslänge demnach bei etwa 1,33 Millisekunden pro Jahrhundert.

Wenn der Klimawandel nicht eingedämmt wird, könnte der Effekt größer werden als der Einfluss des Mondes auf die Erdrotation, erklärt die Gruppe um Mostafa Kiani Shahvandi von der ETH Zürich.

Gezerre am Planeten

Die Schwerkraft des Mondes bringt auf der Erde Gezeitenkräfte hervor, die hauptsächlich in Ebbe und Flut sichtbar werden. Das "Gezerre" des Mondes an der Erde verlangsamt minimal die Rotation der Erde und verlängert damit den Tag.

Auch das Klima hat einen winzigen Einfluss auf die Erdrotation, der mit modernen Satelliten gemessen werden kann. Neben Satellitendaten verwendeten Shahvandi und sein Team Computermodelle, um den Einfluss des Klimas für die Zeit seit 1900 zu ermitteln und die Zeit bis 2100 zu prognostizieren. Dabei berücksichtigen die Forschenden verschiedene Szenarien für die Entwicklung des Klimawandels.

Eisschmelze auf Grönland und in der Antarktis entscheidend

Für die ersten zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts haben die Forscher eine durchschnittliche klimabedingte Zunahme der Tageslänge um 1,33 Millisekunden pro Jahrhundert errechnet - statistisch bedeutsam mehr als im gesamten 20. Jahrhundert. Den Computermodellen zufolge geht die Erhöhung des Wertes im Wesentlichen auf die Eisschmelze auf Grönland und in der Antarktis zurück.

"Diese Ergebnisse zeigen durch ihre Auswirkung auf die Tageslänge, dass der Massentransport von den Polen zum Äquator infolge des Klimawandels in den letzten zwei Jahrzehnten im Vergleich zu den vorhergehenden 100 Jahren beispiellos war", erläutern die Wissenschaftler.

Berücksichtigt haben die Forscher auch einen Effekt, der der Verlagerung der Wassermassen im Zuge der Eisschmelze entgegenwirkt: Massenverlagerungen im Erdmantel. Kilometerdickes Eis drückt die Landmassen Grönlands und der Antarktis in den zähflüssigen Teil des Erdmantels, auf dem sich die Erdplatten bewegen. Wenn das Eis schmilzt, werden die Landmassen leichter und heben sich, weil zähflüssige Erdmantelmasse darunter fließt. Der Effekt beträgt den Berechnungen zufolge derzeit minus 0,8 Millisekunden pro Jahrhundert, verkürzt also die Tageslänge.

Klimakrise übertrumpft Mond?

Bei der Prognose für das Jahr 2100 verwendete das Team um Shahvandi einerseits ein günstiges Szenario mit einem starken Rückgang der Treibhausgas-Emissionen: Das brachte kaum Veränderungen der klimabedingten Tageslänge mit sich. Beim Szenario RCP8.5 war das anders: Wenn ein weiterer Anstieg des Treibhausgas-Ausstoßes das Klima anheizt und die Polkappen immer stärker schmelzen, ergibt sich eine klimabedingte Verlängerung der Tageslänge von etwa 2,5 Millisekunden pro Jahrhundert.

Das bedeutet, dass der Klimawandel in Zukunft einen größeren Einfluss auf die Erdrotation haben könnte als der Mond. Dieser Effekt könnte sich auch auf die Raumfahrt auswirken, da die Erdrotation eine wichtige Rolle bei der Navigation von Raumfahrzeugen spielt.

Die Forscher betonen, dass ihre Studie zeigt, dass der Mensch einen größeren Einfluss auf den Planeten hat, als vielen bewusst ist. Der Klimawandel ist nur ein Beispiel dafür, wie Menschenaktivitäten die Erde und ihre Prozesse beeinflussen können.

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