19.10.2024
Förderkürzungen bedrohen flächendeckenden Glasfaserausbau

Gigabit-Fördermittel 2024 und 2025 gekürzt: Keine Priorität mehr für Glasfaserausbau auf dem Land

Ein unerwarteter Einschnitt

Für viele Kreise und Kommunen war die Nachricht des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) ein Schock: Nur zwei Monate vor Ende des aktuellen Förderaufrufs kürzte das BMDV die zur Verfügung stehenden Mittel um rund 30 %, von drei auf nur zwei Milliarden Euro. Noch gravierender ist die Ankündigung für das Jahr 2025, in dem statt der erwarteten drei Milliarden nur rund eine Milliarde Euro für neue Glasfaserausbauprojekte bereitgestellt werden sollen. Diese Kürzung der Mittel um 50 % bedeutet eine Reduzierung der Gesamtsumme für die nächsten zwei Jahre von sechs auf nur noch drei Milliarden Euro.

Besonders betroffen: Ländliche Regionen

Diese Entscheidung trifft vor allem ländliche Regionen und Bundesländer mit weniger attraktiver Demographie besonders hart, in denen auch in den nächsten Jahren kein privatwirtschaftlicher Ausbau zu erwarten ist. Für diese Gebiete ist das Ziel eines flächendeckenden Ausbaus bis 2030 nun kaum noch zu erreichen. Sebastian Fornefeld, Geschäftsführer der MICUS Strategieberatung GmbH, erläutert die Auswirkungen der Entscheidung des BMDV.

Spontane Entscheidung des BMDV und ihre Folgen

Fornefeld beschreibt die Kürzung als eine große Enttäuschung für all die Kreise und Kommunen, die bereits seit Monaten auf die Förderantragstellung hinarbeiten. Das Verfahren erfordert Branchendialoge mit allen Netzbetreibern und ein mehrwöchiges Markterkundungsverfahren – die Vorbereitungen für die Antragstellung bis Ende September laufen also häufig schon seit dem Frühjahr. Viele Antragsteller haben nun deutlich schlechtere Erfolgsaussichten, hinzu kommen Millionen Euro an bereits entstandenen Verfahrenskosten.

Auswirkungen auf den Ausbaufortschritt

Die Kürzung der Bundesmittel hat eine "doppelte" Auswirkung: Der Bund stellt mit diesen Mitteln stets nur 50 % eines Projekts, die anderen 50 % werden von Land und Kreis/Kommune kofinanziert. Kürzt der Bund eine Milliarde, fehlen für den Ausbau also zwei Milliarden, da auch die Kofinanzierung der Bundesländer nicht fließt. Die Förderung ist ein elementarer Bestandteil für einen gleichmäßigen Ausbau über das ganze Bundesgebiet.

Privatwirtschaftliche Investitionen

Während die privatwirtschaftlichen Netzbetreiber, ob Telekom oder alternative Netzbetreiber, in den Ausbau investieren, ist das Wachstum der privaten Investitionen in den Glasfaserausbau längst zu Ende. So sind die Sachinvestitionen Telekommunikation 2023 erstmalig in der Erfassung seit 2013 leicht gefallen, von 13,4 Milliarden Euro auf 13,2 Milliarden Euro. Insgesamt nimmt die Zurückhaltung angesichts gestiegener Zinsen und Baukosten eher zu als ab. Es wäre der richtige Zeitpunkt für den Staat antizyklisch einzuspringen.

Ungleichmäßiger Ausbau

Die privaten Netzbetreiber investieren vor allem dort, wo es sich wirtschaftlich am ehesten lohnt. Der Ausbau rechnet sich dann eher, wenn für jeden Meter Kabelbau möglichst viele Kunden erreicht werden können. Das ist regelmäßig in urbanen oder suburbanen Regionen mit höherer Bevölkerungsdichte der Fall. Weniger investiert wird auf dem Land und dort, wo das Alter hoch und die Einkommen niedriger sind. Weniger als 3 % aller kleinen Gemeinden in Deutschland sind mit Glasfaser erschlossen, in Saarland und Thüringen haben weniger als 15 % der Haushalte Glasfaser. Die Ausbaukosten dort liegen regelmäßig um das 3-5 Fache über dem Betrag, der sich wirtschaftlich rechnen würde.

Beispiele betroffener Regionen

Zur Illustration können die größten Fördermittelempfänger aus 2023 herangezogen werden: Der Erzgebirgskreis, die Uckermark sowie die Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, wo über 500 Millionen Euro für den Ausbau notwendig sind. Solche Regionen werden besonders stark von der Kürzung betroffen sein.

Ziel der Bundesregierung gefährdet

Das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 einen flächendeckenden Ausbau Deutschlands mit Glasfaser sicherzustellen, ist spätestens jetzt hinfällig, insbesondere für die genannten Regionen. Förderverfahren, die in 2026 oder später starten, werden angesichts der notwendigen Vergaben und Mittelzuweisungen nicht mehr vor 2030 ausgebaut werden können.

Privatwirtschaftlicher Ausbau

Der privatwirtschaftliche Ausbau ist zwar tatsächlich schneller als der Ausbau im sehr formellen Förderverfahren, aber die von ihm adressierten Regionen sind andere als die, die der geförderte Ausbau ins Ziel nimmt. Rund 20 % der deutschen Haushalte sind wirtschaftlich nicht erschließbar. Der Ausbau wird jedes Jahr teurer, während die Endkundenpreise nicht im gleichen Maße steigen. Wenn später gefördert wird, wird es für den Staat eher teurer als günstiger.

Wünsche an politische Akteure

Fornefeld wünscht sich von den politischen Akteuren die Erkenntnis, dass der privatwirtschaftliche und geförderte Ausbau nicht in Konkurrenz stehen, sondern synergetisch sind. Darüber hinaus wäre ein gesamthafter Ansatz wünschenswert. Beispielsweise sollte eine attraktive Infrastruktur mit schnellem Internet auf dem Land geschaffen werden, um den Wohnungsnotstand in den Städten zu mildern.

Position des Bundesverkehrsministeriums

Das Bundesverkehrsministerium begründet die kurzfristige Streichung in diesem Jahr mit dem Erhalt der Gigabit-Förderung im nächsten Jahr. Trotz der angespannten Haushaltssituation wird der Glasfaserausbau auch 2025 weiter unterstützt. Dafür war es erforderlich, die Mittel, die für 2024 zur Verfügung standen, auf rund zwei Milliarden Euro anzupassen.

Protest und Kritik

Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) protestierte, dass der Bund in diesem Jahr eine Milliarde Euro für Deutschlands digitale Zukunft streicht. Die Digital- und Telekommunikationsverbände ANGA, Bitkom, BREKO, BUGLAS und VATM hatten dagegen schon seit Jahren mehrfach kritisiert, dass die Zuschüsse zu hoch seien. Sie forderten die Bundesregierung im Dezember 2023 auf, die Gigabitförderung 2024 bis 2026 auf eine Milliarde Euro pro Jahr zu begrenzen.

Regionale Auswirkungen

In diesem Jahr bleiben für den Freistaat Bayern anstelle der 460 Millionen Euro, mit denen die Staatsregierung gerechnet hatte, noch 295 Millionen Euro übrig. Für Nordrhein-Westfalen sind noch 230 Millionen vorgesehen, für Baden-Württemberg 215 Millionen. Die Kürzung macht jegliche Planbarkeit für die Kommunen unmöglich.

Naturschutz und Glasfaserausbau

Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) kritisiert, dass die Förderung sich zu sehr auf den Mobilfunkausbau stürzt. Im Rahmen naturschutzrechtlicher Prüfungen gilt das "überragende öffentliche Interesse" nur für den Mobilfunkausbau, nicht für den Glasfaserausbau.

Gesetzliche Regelung für Übergang von Kupfer- auf Glasfasernetze

Dr. Stephan Albers, Geschäftsführer beim Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO), betont, dass eine gesetzliche Regelung für den Übergang von Kupfer- auf Glasfasernetze notwendig ist, um sicherzustellen, dass die Abschaltung der Kupfernetze durch die Deutsche Telekom wettbewerbskonform und verbraucherfreundlich erfolgt.

Fazit

Die Kürzungen der Gigabit-Fördermittel für 2024 und 2025 stellen eine erhebliche Herausforderung für den Glasfaserausbau in ländlichen Regionen dar. Während urbane Gebiete weiterhin von privaten Investitionen profitieren können, wird der ländliche Raum zunehmend abgehängt. Die Bundesregierung steht vor der Aufgabe, neue Strategien zu entwickeln, um die digitale Kluft nicht weiter zu vertiefen und das Ziel eines flächendeckenden Glasfaserausbaus bis 2030 doch noch zu erreichen.
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