21.10.2024
Grüne in Bayern: Zwischen Zuversicht und Migrationsdebatte

Gisela Sengl, eine der beiden Vorsitzenden der bayerischen Grünen, sprach auf dem Parteitag in Würzburg von unterschiedlichen Gefühlslagen in ihrer Partei: Anspannung, Zögern, Frustration angesichts von „Angriffen und Gegenwind“ – aber auch die „Leidenschaft, weiter zu kämpfen, weil wir auf dem richtigen Weg sind“. Ein Gefühl allerdings, so Sengl weiter, übersteige alles: Ratlosigkeit. Wie die F.A.Z. berichtet, zeigt sich diese Ratlosigkeit auch im Leitantrag der Delegierten.

„Bayern verdient Zuversicht.“ – so die Überschrift des Leitantrags, der bei vielen Delegierten auf wenig Gegenliebe stieß. Zu dünn, zu sehr Marketing und zu wenig Politik, so der Tenor. Die Forderung nach einem kostenlosen Schulessen etwa sei altbekannt. Und Forderungen nach einer „Windwende“ und einem „Sonnensprint“ ließen vermuten, dass auch die Grünen, ähnlich wie die CSU, eine Alliteration bereits für ein schlüssiges Konzept halten.

Eva Lettenbauer, die zweite Vorsitzende der bayerischen Grünen, versicherte, dass die Partei „Schritt für Schritt“ vorangehen wolle. Die Botschaft dahinter: Die Zeiten, in denen man die Gesellschaft überfordert und es dem politischen Gegner leicht gemacht hat, über die Grünen herzuziehen, sollen vorbei sein.

Eigentlich sollte das Thema Migration nicht auf dem Parteitag stattfinden

Der grüne Landrat von Miltenberg, Jens Marco Scherf, gab zu bedenken, dass neue Zuversicht nur aus neuem Handeln entstehen könne. „Wer wieder erfolgreich werden will, der anerkennt seine Niederlagen, der macht Schluss mit Jammern und Selbstmitleid.“ Es gelte, „ehrlich hinzuschauen“, die „Wirklichkeit anzuerkennen“, auch bei der Migration. Scherf berichtete von „überforderten Kindergärten“, „überlasteten Schulen“, „einem hoffnungslos unterfinanzierten Jobcenter“ und „erschöpften ehrenamtlichen Strukturen“ in seinem Landkreis.

Eigentlich wollte der Landesvorstand das Thema Migration vom Parteitag fernhalten. Doch dann kamen Anträge dazu. Vor allem einer der Bundestagsabgeordneten Manuela Rottmann, auf den drei weitere folgten. Wie Scherf vertritt Rottmann die Auffassung, dass Integration nicht nur eine Frage des Geldes und des Managements sei, sondern auch der Menge an zu integrierenden Personen.

Es gibt allerdings auch andere Stimmen in der Partei, wie etwa die Münchner Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer oder Gülseren Demirel, Integrationssprecherin der Landtagsfraktion. Sie fürchten, die Grünen könnten sich zur Abkehr von humanitären Prinzipien treiben lassen. Demirel sagte, es sei eine Lehre aus der deutschen Geschichte, nie wieder dabei zuzuschauen, „wenn unsere Grundrechte infrage gestellt werden“ – sie bezieht sich dabei auf Forderungen etwa von Markus Söder, das individuelle Grundrecht auf Asyl „grundlegend zu reformieren“.

Zahlreiche Änderungsanträge zum Thema Migration

Kurz vor Beginn des Parteitags war es dem Landesvorstand gelungen, die unterschiedlichen Positionen in einem gemeinsamen Antrag einzubringen. Allerdings hatte dieses Verfahren dazu geführt, dass auf dem Parteitag selbst noch Änderungsanträge gestellt werden konnten. Von der Möglichkeit wurde weidlich Gebrauch gemacht. Dabei setzten sich die sogenannten Progressiven, also die Linkeren, auf ganzer Linie durch.

Gestrichen wurde etwa der Satz, wonach es „jetzt eine Stabilisierung der Zahl der hier zu versorgenden Geflüchteten auf einem für die Integration leistbaren Niveau“ brauche. Das, so heißt es bei den Progressiven, könne als euphemistische Umschreibung einer Obergrenze angesehen werden – und eine solche sei weder rechtlich noch moralisch zu rechtfertigen.

Im verbleibenden Antragstext dominieren dann altbekannte Forderungen nach mehr Geld, mehr Personal und Fluchtursachenbekämpfung, die aus Sicht der „Pragmatiker“ notwendig, aber eben auch Ausweichmanöver sind. Landrat Scherf sagte, der Parteitag habe sich auf ein gutes gemeinsames Ziel zubewegt – und sei dann „im letzten Moment erschrocken noch mal abgebogen“.

Am Sonntag sprachen in Würzburg die Kandidaten für den Bundesparteivorsitz, Franziska Brantner und Felix Banaszak, außerdem Robert Habeck, er per Videobotschaft. Der Bundeswirtschaftsminister sagte, er verstehe nicht, was los sei in der CSU, dass sie die Grünen zum „Gottseibeiuns“ stilisiere, und wirbt dafür, „ehrlich“ zu sein, aber auch „voller Zuversicht, die Dinge drehen zu können“. Habeck ist der präsenteste Abwesende in Würzburg – knapp nach CSU-Chef Söder, der vieler Dinge geziehen wird: von Claudia Roth etwa der Machtgier und der Brandbeschleunigung.

Quelle: F.A.Z. Artikelrechte erwerben

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