Die Wittmann Möbelwerkstätten in Etsdorf am Kamp, Niederösterreich, sind bekannt für ihre handgefertigten Möbel, vom Klassiker bis zum modernen Design. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 1. November 2024 berichtete, werden dort Möbelstücke noch fast wie vor 100 Jahren gefertigt – ausschließlich von Hand. Am Beispiel des Sessels „Joseph“, einem Entwurf des französischen Designers Philippe Nigro, lässt sich der Entstehungsprozess eines Wittmann-Sessels gut nachvollziehen.
In der Näherei, dem ersten Schritt der Produktion, entstehen die Bezüge für die Sessel. Wie die FAZ berichtet, arbeiten hier rund 80 Mitarbeiter, vorwiegend spezialisierte Näherinnen. Mit höchster Präzision schneiden und nähen sie die Stoff- oder Lederbezüge. Der „Joseph“ stellt dabei eine besondere Herausforderung dar: Die halbrunde Sitzschale ist außen mit einem kapitonierten oder gesteppten Bezug versehen, der an das Würfelmuster von Josef Hoffmanns ikonischem Sessel „Kubus“ erinnert. Innen sind Sitzfläche und Rückenlehne glatt. Besonders anspruchsvoll ist die Möglichkeit, die Bezugsstoffe für Außen- und Innenseite individuell zu kombinieren – Leder mit Leder, Leder mit Stoff oder Stoff mit Stoff.
Jedes Jahr verlassen gut 15.000 Möbelstücke die Wittmann Werkstätten. Nur etwa ein Drittel davon bleibt in Österreich, der Rest geht in die Welt, hauptsächlich nach Europa, in die USA und nach Australien. Wie die FAZ berichtet, wird in Etsdorf am Kamp ausschließlich auftragsbezogen gearbeitet. Das bedeutet, dass die Möbel, auch der „Joseph“, individuell für jeden Kunden angefertigt werden. In der hauseigenen Schlosserei entstehen die Metallteile, die dem Sessel seine Stabilität verleihen. Das Biegen und Schweißen der Metallteile, die dem gebogenen Rücken des „Joseph“ Halt geben, erfolgt mithilfe von Schablonen und präziser Handarbeit.
In der Gurterei beginnt die eigentliche Polsterarbeit. Gurte werden entlang der Holzteile befestigt, um die Kanten abzudecken und dem Sessel zusätzliche Stabilität zu verleihen. Im Fußraum des „Joseph“ sorgen gespannte Gurte, wie die FAZ beschreibt, für die vom Designer Philippe Nigro vorgesehene „Freiheit für die Fersen“. In der Vorpolsterei wird der Sessel schichtweise aufgebaut, ähnlich einem Sandwich. Auf die Begurtung kommt ein Federkern, darauf folgen Schaumstoff, Vlies und schließlich der Bezug. Die verschiedenen Schaumstoffe, die in unterschiedlichen Farben und Raumgewichten für verschiedene Sitzqualitäten stehen, werden sorgfältig aufgeklebt.
Im letzten Schritt wird der in der Näherei gefertigte Bezug über das gepolsterte Gestell gezogen und befestigt. Hier zeigt sich die handwerkliche Präzision der Wittmann-Mitarbeiter. Der Bezug muss perfekt sitzen und die Form des Sessels optimal zur Geltung bringen. So entsteht ein Möbelstück, das nicht nur durch Komfort, sondern auch durch Ästhetik überzeugt.
Die Wittmann Möbelwerkstätten sind eng mit dem Erbe des Wiener Architekten Josef Hoffmann verbunden. Wie die FAZ berichtet, erhielt die Manufaktur in den 1960er Jahren von Hoffmanns Witwe Carla Hoffmann die exklusiven Rechte zur Herstellung seiner Möbel nach Originalentwürfen. Der „Kubus“ ist ein Beispiel für Hoffmanns charakteristischen Stil der „geometrischen Einfachheit“. Auch heute noch inspiriert sein Werk die Designer, die für Wittmann entwerfen, und prägt die Philosophie des Unternehmens.
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