October 3, 2024
Herausforderungen der Einheit 34 Jahre nach dem Mauerfall

Am Tag der Deutschen Einheit in Schwerin bezog Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) klar Stellung zu den Herausforderungen und Ungleichheiten, die die deutsche Wiedervereinigung mit sich brachte. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (F.A.Z.) berichtet, zeigte sie insbesondere Verständnis für die Menschen, die von der Wende enttäuscht wurden.

Schwesig, deren eigene Familiengeschichte von den Umbrüchen nach 1989 geprägt ist, betonte die tiefgreifenden Veränderungen, die viele Ostdeutsche erfahren haben. Ihr Vater verlor nach der Wende seinen Arbeitsplatz durch die Schließung seines Betriebs. „Es war schwer. Deswegen verstehe ich Menschen, die auch enttäuscht und verletzt sind“, wird Schwesig in der „F.A.Z.“ zitiert. Die Sorge, das Erreichte könne wieder verloren gehen, sei in Ostdeutschland aufgrund der Erfahrungen nach dem Mauerfall besonders ausgeprägt.

In ihrer Rede anlässlich des Einheitsfestes dankte Schwesig den Menschen, die 1989 auf die Straße gegangen waren und für die deutsche Einheit gekämpft haben. Sie erinnerte daran, dass Mecklenburg-Vorpommern damals nicht im Zentrum der friedlichen Revolution stand, sondern erst später von Demonstrationen erfasst wurde. Dennoch hätten auch in Schwerin Menschen mutig für ihre Freiheit demonstriert, ohne zu wissen, wie das Regime reagieren würde.

Schwesig mahnte an, dass auch 34 Jahre nach dem Mauerfall noch viele Ungleichheiten zwischen Ost- und Westdeutschland bestehen. Es sei wichtig, „auf Augenhöhe, mit Respekt und nicht belehrend“ miteinander umzugehen. Der Osten müsse in der Bundesrepublik stärker wahrgenommen werden – nicht nur, wenn es um Probleme gehe.

Die Ministerpräsidentin nutzte die Gelegenheit auch, um ihre Haltung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu bekräftigen. Dieser habe die europäische Friedensordnung zerstört. Damit distanzierte sie sich von ihrer früheren Russlandnähe, die in der Vergangenheit für Kritik gesorgt hatte. So hatte sich Schwesigs frühere rot-schwarze Landesregierung für die Fertigstellung der Nord Stream 2-Pipeline eingesetzt und eine Stiftung gegründet, um amerikanische Sanktionen gegen den Bau abzuwehren. Das Verhältnis zu Polen, das den Bau der Pipeline ablehnte, gilt seitdem als belastet.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ging in seiner Rede ebenfalls auf die unterschiedlichen Erfahrungen in Ost- und Westdeutschland nach der Wende ein. Für viele Menschen im Osten sei der Umbruch mit einem Zusammenbruch ihres bisherigen Lebens verbunden gewesen, so Scholz. Er betonte aber auch die gemeinsamen Errungenschaften und den Fortschritt, der seitdem erzielt wurde. Die deutsche Einheit sei eine Erfolgsgeschichte, auch wenn sie „natürlich noch nicht vollendet“ sei.

Die „dpa“ berichtete ebenfalls über Schwesigs Rede und zitierte sie mit den Worten: „Wir sind auf dem Weg zu gleichwertigen Lebensverhältnissen weit vorangekommen. Aber wir haben unser Ziel noch nicht erreicht.“ Als Beispiele für bestehende Benachteiligungen nannte Schwesig unterschiedliche Löhne und die geringere Anzahl großer Unternehmen im Osten. Man dürfe sich mit diesen Unterschieden nicht abfinden.

Schwesig, die zum Zeitpunkt der Wende 15 Jahre alt war, betonte laut „dpa“ auch die positiven Entwicklungen im Osten Deutschlands. Es seien erfolgreiche Unternehmen entstanden und die Arbeitslosigkeit sei zurückgegangen. „So hart der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel nach der Vereinigung auch war: Wir haben ihn bewältigt“, wird Schwesig zitiert. Sie forderte, dass der Osten in Debatten und in Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stärker wahrgenommen werden müsse.

Die „Hasepost“ berichtete ebenfalls über Schwesigs Rede und hob hervor, dass sie Verständnis für den anhaltenden Frust vieler Ostdeutscher äußerte. Sie habe von ihrer persönlichen Erfahrung berichtet, als ihr Vater nach der Wiedervereinigung arbeitslos wurde. „Es war schwer – für die ganze Familie. Und manchmal ist es das immer noch“, zitierte die „Hasepost“ die Ministerpräsidentin. Schwesig habe betont, dass die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland ernst genommen werden müssten und dass es wichtig sei, auf Augenhöhe miteinander zu reden.

In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ im Februar 2024 äußerte Schwesig die Befürchtung, dass die AfD bei den anstehenden Landtagswahlen im Osten Deutschlands stärkste Kraft werden könnte. Sie warnte davor, die AfD nur als „Schlechte Laune“-Partei abzutun. „Ich spüre wachsende Unzufriedenheit“, sagte Schwesig dem „Spiegel“. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Arbeit der Ampel-Koalition im Bund.

Schwesigs Äußerungen und ihr persönlicher Bezug zur Wendegeschichte verdeutlichen die Komplexität der deutschen Einheit und die Herausforderungen, die auch 34 Jahre nach dem Mauerfall noch bestehen. Die Debatte über die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland und die Frage, wie mit den Enttäuschungen und dem Frust vieler Ostdeutscher umgegangen werden soll, bleiben aktuell.

Quellen:

  • https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/tag-der-deutschen-einheit-schwesig-aeussert-verstaendnis-fuer-die-enttaeuschten-110024484.html
  • https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/schwesig-mit-ost-benachteiligungen-nicht-abfinden-110024217.html
  • https://www.hasepost.de/schwesig-zeigt-verstaendnis-fuer-ostdeutschen-frust-nach-einheit-520761/
  • https://www.spiegel.de/politik/deutschland/manuela-schwesig-ueber-die-wahlen-im-osten-die-gefahr-eines-afd-ministerpraesidenten-ist-real-a-e7d7a4ea-2ed6-4b87-a018-047bdec7374b
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