19.10.2024
Kirchenverbot in der Ukraine: Veränderungen in der religiösen Landschaft und ihre Folgen

Kirchenverbot in der Ukraine: Weht in der UOK noch immer Moskaus Geist?

Die Diskussion um das Kirchenverbot in der Ukraine hat in den letzten Monaten an Intensität gewonnen, insbesondere seit das ukrainische Parlament ein Gesetz verabschiedet hat, das die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK), die enge Verbindungen zum Moskauer Patriarchat aufweist, verbietet. Dieses Gesetz wird als ein entscheidender Schritt angesehen, um die religiöse Landschaft in der Ukraine zu verändern und die Unabhängigkeit des Landes von russischem Einfluss zu stärken.

Hintergrund der Situation

Die UOK hat in der Ukraine eine bedeutende Anhängerschaft und stellt die größte orthodoxe Kirche des Landes dar. Trotz ihrer offiziellen Erklärung, sich im Mai 2022 vom Moskauer Patriarchat gelöst zu haben, wird ihr vorgeworfen, weiterhin als ein Instrument Moskaus zu fungieren. Die ukrainische Regierung, unter der Führung von Präsident Wolodymyr Selenskyj, sieht die UOK als Bedrohung für die nationale Sicherheit und die territoriale Integrität des Landes, insbesondere im Kontext des anhaltenden Konflikts mit Russland.

Der Gesetzesentwurf, der am 20. August 2024 im Parlament angenommen wurde, erhielt eine breite Unterstützung, wobei 265 von 322 Abgeordneten für das Verbot stimmten. Der Gesetzgeber argumentiert, dass die UOK eine Verbindung zu den militärischen Aggressionen Russlands gegen die Ukraine aufrechterhalte und dass ihre Aktivitäten die nationale Sicherheit gefährden.

Reaktionen auf das Verbot

Die Reaktionen auf das neue Gesetz sind gemischt. Während die ukrainische Regierung und ihre Unterstützer das Verbot als notwendigen Schritt zur Sicherung der nationalen Identität und Unabhängigkeit betrachten, äußern internationale religiöse Organisationen, darunter der Papst und der Weltkirchenrat, Bedenken hinsichtlich der Religionsfreiheit. Papst Franziskus hat in einer Ansprache betont, dass das Beten kein Verbrechen sei und dass keine christliche Kirche verboten werden sollte. Er appellierte an die ukrainische Regierung, die Prinzipien der Religionsfreiheit zu respektieren.

Der Weltkirchenrat hat ebenfalls seine Besorgnis über das Gesetz geäußert und warnt vor einer ungerechtfertigten kollektiven Bestrafung einer ganzen Religionsgemeinschaft. In einem Schreiben an die ukrainische Regierung wird betont, dass die Verteidigung der territorialen Integrität des Landes nicht auf Kosten der Religionsfreiheit geschehen sollte.

Politische Dimensionen

Die politische Dimension des Gesetzes ist nicht zu übersehen. Die Partei „Diener des Volkes“, die von Präsident Selenskyj unterstützt wird, hat im Parlament die absolute Mehrheit. Der Druck, die UOK aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, kommt jedoch auch von der oppositionellen Europäischen Solidarität, die von Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko angeführt wird. Diese politische Rivalität könnte die Motivation hinter dem Gesetzesentwurf verstärken und die gesellschaftliche Spaltung in der Ukraine vertiefen.

Die UOK hat sich zwar offiziell von Moskau distanziert, doch die Vorwürfe, dass sie weiterhin als Sprachrohr des Kremls fungiert, sind in der öffentlichen Wahrnehmung stark verankert. Kritiker der UOK argumentieren, dass einige ihrer Geistlichen in der Vergangenheit mit russischen Geheimdiensten zusammengearbeitet haben, was die Regierung als Beweis für die Notwendigkeit des Verbots heranzieht.

Die Zukunft der UOK

Die Zukunft der UOK steht auf der Kippe. Das neue Gesetz sieht vor, dass Gerichte innerhalb von neun Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes die Möglichkeit haben, einzelne Gemeinden und andere Kirchenstrukturen zu verbieten, wenn sie als mit Russland verbunden oder als Verbreiter der Ideologie der „Russischen Welt“ identifiziert werden. Dies bedeutet, dass die UOK nicht als Ganzes verboten werden kann, da sie keine juristische Person ist, sondern nur ihre einzelnen Gemeinden und Strukturen betroffen sind.

Die UOK hat bereits angekündigt, gegen das Gesetz vorzugehen und ihre Unabhängigkeit zu betonen. Dennoch bleibt abzuwarten, wie die Gerichte auf die Anträge reagieren werden und ob die UOK in der Lage sein wird, ihre Position in der ukrainischen Gesellschaft zu behaupten.

Gesellschaftliche Auswirkungen

Die gesellschaftlichen Auswirkungen des Verbots könnten erheblich sein. Es besteht die Gefahr, dass die Spaltung zwischen den Anhängern der UOK und der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) weiter vertieft wird. Die OKU, die als patriotischer und unabhängiger angesehen wird, hat in den letzten Jahren an Unterstützung gewonnen und könnte von der Schwächung der UOK profitieren.

Einige Experten warnen jedoch, dass das Verbot der UOK zu einer noch stärkeren Stigmatisierung ihrer Anhänger führen könnte, die trotz der politischen Umstände weiterhin an ihrer Kirche festhalten. Es könnte auch zu einer verstärkten Verfolgung von Geistlichen und Gläubigen kommen, die sich mit der UOK identifizieren, was die gesellschaftliche Stabilität in der Ukraine gefährden könnte.

Fazit

Das Kirchenverbot in der Ukraine ist ein komplexes und vielschichtiges Thema, das sowohl religiöse als auch politische Dimensionen umfasst. Während die ukrainische Regierung versucht, die nationale Identität und Unabhängigkeit zu stärken, stehen internationale Organisationen und religiöse Führer auf, um die Prinzipien der Religionsfreiheit zu verteidigen. Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um zu beobachten, wie sich die Situation entwickeln wird und welche Auswirkungen das Verbot auf die ukrainische Gesellschaft und die religiöse Landschaft haben wird.

Quellen: FAZ, Kirche und Leben, Kathpress, BR.

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