17.10.2024
Koalitionen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht: Herausforderungen und Perspektiven in Ostdeutschland

Regierungsbildung in Ostdeutschland: Steht die "Brombeer-Koalition" bevor?

Nach den Landtagswahlen im September steht Ostdeutschland vor richtungsweisenden Entscheidungen. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg ist die Regierungsbildung in vollem Gange, und in allen drei Ländern spielt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine Schlüsselrolle. Die Frage, die sich stellt: Werden CDU und SPD den Schritt wagen und gemeinsam mit dem BSW eine sogenannte "Brombeer-Koalition" bilden?

Die Ausgangslage ist in allen drei Ländern ähnlich: CDU und SPD streben Koalitionen an, die die AfD ausschließen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Beteiligung des BSW in allen drei Fällen unabdingbar. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet, hält sich Sahra Wagenknecht, Parteigründerin des BSW, bedeckt, was konkrete Koalitionsaussagen angeht. Zwar äußerte sie im Deutschlandfunk, dass nach den Wahlen im September der Eindruck entstand, CDU und SPD hätten die Zeichen der Zeit erkannt. Mittlerweile gewinne sie jedoch den Eindruck, dass die etablierten Parteien an alten Mustern festhalten wollen. Die Wählerschaft im Osten habe jedoch deutlich "Veränderung gewählt", so Wagenknecht.

Die Botschaft des BSW ist eindeutig: CDU und SPD müssen sich bewegen, um eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. Andernfalls, so Wagenknecht, werde man die Oppositionsbank bevorzugen. Die Forderungen des BSW sind in allen drei Ländern ähnlich gelagert. Neben zusätzlichen Lehrern, einer Aufarbeitung der Corona-Pandemie und einer Eindämmung der Migration, stehen vor allem zwei Punkte im Fokus: Die Partei fordert diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges und eine klare Absage an die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Diese Forderungen stellen für CDU und SPD eine große Herausforderung dar, auch wenn die Ausgangslage in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ist.

Sachsen: Ein vorsichtiges Kennenlernen

In Sachsen, wo die AfD bei der Landtagswahl am 1. September nur knapp hinter der CDU landete, geht man die Regierungsbildung besonders vorsichtig an. Anstatt direkt in Sondierungsgespräche zu starten, haben sich CDU, BSW und SPD zunächst zu "Kennenlerngesprächen" verabredet. Wie die dpa berichtet, sollen die Parteigremien nach Abschluss dieser ersten Gesprächsrunde über die Aufnahme von Sondierungsverhandlungen entscheiden. Obwohl hinter verschlossenen Türen bereits an gemeinsamen Papieren gearbeitet wird, bleiben Vorbehalte gegenüber dem BSW innerhalb der CDU bestehen. Insbesondere im Raum Leipzig haben sich einige CDU-Funktionäre für einen Dialog mit der AfD ausgesprochen. Auch Forderungen nach einer CDU-geführten Minderheitsregierung wurden laut.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erteilt diesen Forderungen jedoch eine klare Absage. Gemeinsam mit dem thüringischen CDU-Landeschef Mario Voigt und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) signalisierte Kretschmer in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Gesprächsbereitschaft in Bezug auf die außenpolitischen Forderungen des BSW. Kretschmer setzt auf eine Koalition mit BSW und SPD.

Thüringen: Koalitionsverhandlungen rücken näher

In Thüringen, wo die AfD bei der Landtagswahl stärkste Kraft wurde, sind die Verhandlungen bereits einen Schritt weiter. CDU, BSW und SPD haben ihre Sondierungsgespräche abgeschlossen und ein gemeinsames Papier erarbeitet. Wie die dpa berichtet, sollen die Parteigremien noch diese Woche über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden. Obwohl die Gespräche über die zentralen Politikfelder von Finanzen und Wirtschaft über Bildung bis hin zur Migrationspolitik vertrauensvoll und ernsthaft verlaufen sein sollen, gab es auch Misstöne. So übte die SPD Kritik an dem erwähnten "FAZ"-Beitrag, in dem Voigt als möglicher Ministerpräsident Zugeständnisse an das BSW andeutete.

Eine Koalition mit dem BSW unter Landeschefin Katja Wolf wäre für Thüringen nicht nur politisch Neuland, sondern hätte auch keine eigene Mehrheit im Landtag. Mit 44 von 88 Sitzen wären CDU, BSW und SPD auf die Unterstützung der Linken angewiesen, um Gesetze ohne die Stimmen der AfD zu verabschieden.

Brandenburg: Auf dem Weg zu Rot-Lila?

Im Potsdamer Landtag gestaltet sich die Situation etwas einfacher. Dort könnten SPD und BSW mit ihren Mandaten eine eigene Mehrheit bilden. Wagenknecht selbst bezeichnete diese Zweier-Konstellation im Vergleich zu Sachsen und Thüringen als "etwas einfacher". Tatsächlich verbindet den BSW-Landeschef Robert Crumbach eine jahrzehntelange Vergangenheit mit der SPD. Einerseits verfügt er über profunde Kenntnisse der Partei, andererseits steht er vor der Herausforderung, die Eigenständigkeit des BSW zu wahren.

Die Sondierungsgespräche in Brandenburg laufen bereits seit einiger Zeit. Wie die dpa berichtet, steht nun die Entscheidung über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen an. Auffällig ist, dass bisher kaum Negativschlagzeilen aus den Gesprächen nach außen drangen. Ministerpräsident Woidke (SPD) bezeichnete die Gespräche als "erstmal erfolgversprechend", während BSW-Landeschef Crumbach von "guten Gesprächen" sprach, die jedoch "manchmal schwierig" seien. Über Inhalte wurde Stillschweigen vereinbart.

Die Zerreißprobe: Außenpolitik und der Einfluss Wagenknechts

Ein zentrales Streitthema bei den Verhandlungen sind die außenpolitischen Forderungen des BSW. Insbesondere die Forderung nach einem Ende der militärischen Unterstützung der Ukraine sorgt für Konflikte. Während sich SPD-Mann Woidke für eine Fortsetzung der Militärhilfe ausspricht, stößt diese Haltung bei Wagenknecht auf Ablehnung. Auch CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte die Positionen des BSW scharf. "Frau Wagenknecht hat zu akzeptieren, dass es Entscheidungen gibt, die unumstößlich sind", sagte Merz. Dazu zählten die Westbindung und die Nato-Mitgliedschaft. Wagenknecht konterte mit dem Vorwurf, Merz würde seinen Landesverbänden Vorgaben für die Verhandlungen machen.

Tatsächlich wird Wagenknecht ein starker Einfluss auf die Verhandlungen in allen drei Ländern nachgesagt. Sie selbst betonte jedoch, dass sie nicht allein entscheiden werde. "Mir ist ja auch wichtig, wie das in dem Land gesehen wird", sagte sie. Für jedes Bundesland werde eine individuelle Entscheidung getroffen. Auch die sächsische BSW-Chefin Sabine Zimmermann wies den Vorwurf zurück, Wagenknecht würde die Verhandlungen zentral steuern. Es gebe weder eine Standleitung nach Berlin noch sitze Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine im Hintergrund. Man verhandele autonom, ein Vetorecht Wagenknechts gebe es nicht. "Ich wüsste nicht, warum", so Zimmermann.

Ob die "Brombeer-Koalition" tatsächlich Realität wird, hängt nun von den Entscheidungen der Parteigremien in den kommenden Tagen und Wochen ab. Die Verhandlungen stehen vor richtungsweisenden Entscheidungen, die die politische Landschaft Ostdeutschlands nachhaltig prägen könnten.

Quellen:

  • https://www.zeit.de/news/2024-10/17/tage-der-entscheidung-regiert-das-bsw-tatsaechlich-bald-mit
  • https://www.sueddeutsche.de/politik/regierungsbildung-tage-der-entscheidung-regiert-das-bsw-tatsaechlich-bald-mit-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-241017-930-262542
  • https://www.stern.de/gesellschaft/regional/berlin-brandenburg/regierungsbildung--spd-und-bsw-sondieren-weiter----manchmal-schwierig--35149122.html
  • https://www.stern.de/gesellschaft/regional/thueringen/regierungsbildung--linke-chefin--brombeer-koalition-hat-ein-mehrheitsproblem-35149762.html
  • https://www.lvz.de/politik/regional/sachsen-koalition-erste-einigung-mit-cdu-bsw-und-spd-in-sicht-M5G4G4FRYJBCHFD4EG2JAI3KQU.html
  • https://www.borkenerzeitung.de/welt/in-ausland/politik-inland/Landkreistag-fordert-rasche-Regierungsbildung-559529.html
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