17.10.2024
Unabhängige Verlage im Spannungsfeld des Buchmarktes

Die schwierige Situation der unabhängigen Verlage

Die deutschen unabhängigen Verlage blicken in eine ungewisse Zukunft. Steigende Produktionskosten, ein verändertes Leseverhalten und die Dominanz großer Verlagshäuser stellen sie vor große Herausforderungen.

„Auf der Fahrt zur Eröffnung der Buchmesse habe ich im Radio gehört, dass die tägliche Lesezeit der Deutschen um fünf Minuten gesunken ist“, erzählte Katharina Meyer, Vorstandsvorsitzende der Kurt Wolff Stiftung, am Rande der Frankfurter Buchmesse 2024. Für Meyer, deren Stiftung sich für die Belange unabhängiger Verlage einsetzt, ist das keine Überraschung. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) berichtete, spiegeln ihre Erfahrungen die Herausforderungen wider, mit denen viele kleine und mittelständische Verlage konfrontiert sind.

Schon seit Jahren kämpft die Branche mit schwindenden Leserzahlen und dem Siegeszug digitaler Medien. Die Coronapandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Situation zusätzlich verschärft. Gestiegene Papier- und Energiepreise zwingen die Verlage, ihre Preise zu erhöhen, was wiederum die ohnehin zurückhaltende Kundschaft abschreckt.

Besonders hart trifft es die unabhängigen Verlage, die oft mit viel Idealismus und wenig Kapital arbeiten. Sie können im Preiskampf mit den großen Verlagshäusern kaum mithalten und haben es schwer, im Buchhandel sichtbar zu sein.

Die Hotlist-Jury, die jährlich herausragende Bücher aus unabhängigen Verlagen auszeichnet, forderte im Oktober 2024 in einem dringenden Appell eine staatliche Strukturförderung für die bedrohte Branche. "Die meisten unabhängigen Verlage in Deutschland müssen um ihre Existenz fürchten", schrieben die Juroren. Die Gefahr für die Vielfalt der Buchkultur werde von Politik und Gesellschaft nicht genügend ernst genommen.

In ihrem Appell verwies die Jury auf eine Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aus dem Jahr 2021, die die prekäre Lage vieler kleiner Verlage beleuchtet. Als wirksame Gegenmaßnahme wurde eine staatliche Strukturförderung empfohlen, wie sie in Österreich und der Schweiz bereits seit Längerem existiert.

"In Deutschland wurde sie bislang noch immer nicht umgesetzt", kritisierte die Hotlist-Jury. Dabei bewerte jeder vierte Verlag die aktuelle wirtschaftliche Lage seines Unternehmens als schlecht. Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage des Netzwerks "Schöne Bücher" unter 100 kleinen Verlagen.

Dass die Situation dramatisch ist, zeigt auch der Fall des Hirnkost Verlags. Wie das Online-Magazin "Tor Online" im Juli 2024 berichtete, sah sich der kleine Berliner Verlag, der sich auf Science-Fiction und gesellschaftskritische Themen spezialisiert hat, bereits Ende 2023 von der Insolvenz bedroht. Nur durch großzügige Spenden und Buchkäufe konnte das endgültige Aus abgewendet werden.

Die Probleme der unabhängigen Verlage sind vielschichtig. Ein zentraler Aspekt ist die zunehmende Marktmacht der großen Barsortimenter. Diese Großhändler sortieren immer häufiger Titel aus kleineren Verlagen aus ihrem Sortiment, weil sie ihnen zu wenig Umsatz bringen. Für die betroffenen Verlage bedeutet das einen herben Rückschlag, da ihre Bücher dadurch im stationären Buchhandel kaum noch verfügbar sind.

Hinzu kommt, dass sich die Lesebedürfnisse gewandelt haben. Leichte Unterhaltung und Genre-Literatur boomen, während anspruchsvollere Titel es immer schwerer haben. "Wir bekommen schon mal aus dem Buchhandel zu hören: Unsere Kundschaft sucht gerade eher etwas Leichtes, Unterhaltsames", berichtete Franziska Otto von der Hamburger Edition Nautilus im Gespräch mit dem Online-Magazin "Woxx".

Doch die unabhängigen Verlage geben nicht auf. Sie setzen weiter auf Qualität, Originalität und gesellschaftliche Relevanz. "Gerade in diesen politisch herausfordernden Zeiten braucht es doch eine Vielfalt an Themen und literarischen Ausdrucksformen, kämpferische Gegenstimmen, Bücher, die Debatten anstoßen und zum Denken und Handeln anregen", betonte Franziska Otto.

Ob es den kleinen und mittelständischen Verlagen gelingt, sich in dem hart umkämpften Buchmarkt zu behaupten, wird sich zeigen. Fest steht: Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur kulturellen Vielfalt und sind ein wichtiges Korrektiv zu den kommerziellen Interessen der großen Verlagshäuser.

Quellen:

  • https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/kultur/buchmesse-2024-bei-der-happy-hour-der-unabhaengigen-verlage-ist-nicht-alles-lustig-110051072.html
  • https://www.boersenblatt.net/news/verlage-news/verhindert-das-sterben-der-unabhaengigen-verlage-348569
  • https://www.tor-online.de/magazin/mehr-phantastik/phantastische-kleinverlage-vom-aussterben-bedroht
  • https://www.dw.com/de/preis-oder-f%C3%B6rderung-wie-%C3%BCberleben-unabh%C3%A4ngige-verlage/a-48178795
  • https://www.kurt-wolff-stiftung.de/verlage-sind-systemrelevant/
  • https://buchmarkt.de/wir-sehen-ein-ungleichgewicht-das-unabhaengige-laeden-in-den-innenstaedten-und-mehr-noch-auf-dem-land-in-bedraengnis-bringt/
  • https://www.woxx.lu/deutsche-buchbranche-in-der-krise-die-abnehmende-sichtbarkeit-unabhaengiger-verlage/
  • https://homunculus-verlag.de/offener-brief/
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