Ex-Außenminister Heiko Maas (SPD) hat am Donnerstag vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Afghanistan-Evakuierung ausgesagt. Wie die F.A.Z. berichtet, beschrieb Maas die chaotische Situation im August 2021, als die Taliban an Einfluss gewannen und die USA ihren Truppenabzug beschleunigten. Deutschland bemühte sich in dieser Zeit, Botschaftsangehörige, Mitarbeiter deutscher Behörden und afghanische Schutzbedürftige aus Kabul zu evakuieren.
Ein Kernpunkt von Maas' Aussage war die Informationslage zu den amerikanischen Evakuierungsplänen. „Hätten wir früher gewusst, wann die Amerikaner ihre Evakuierungspläne aktivieren, hätten wir unsere eigenen Pläne angepasst. Diese Information lag uns jedoch nicht vor“, zitiert die F.A.Z. Maas. Damit bestätigte er die Aussagen der ehemaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Trotz der schwierigen Lage gelang es, das Botschaftspersonal und die Soldaten sicher aus Afghanistan auszufliegen.
Maas verteidigte seinen damaligen US-Amtskollegen Antony Blinken gegen Kritik und betonte, er habe dessen Aussagen stets ernst genommen. Auch Blinken sei von den Ereignissen „überrollt“ worden. Änderungen in der Planung des US-Außenministeriums hätten das Auswärtige Amt aufgrund der sich zuspitzenden Lage nicht mehr erreicht. Die Flucht des afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani bezeichnete Maas als „entscheidendes Ereignis“ für den Kollaps der Regierung. Sowohl er als auch das Auswärtige Amt seien von Ghanis Flucht überrascht worden.
Maas bestätigte auch Schwierigkeiten innerhalb der damaligen Großen Koalition. Es habe lange Diskussionen über die Einreiseerlaubnis für ehemalige Ortskräfte gegeben. Das Innenministerium unter Horst Seehofer (CSU) vertrat eine restriktive Haltung und befürwortete bis kurz vor dem Fall Kabuls noch Abschiebungen aus Deutschland. Die tagesschau berichtet, dass der Untersuchungsausschuss auch die Rolle des damaligen Entwicklungsministers Gerd Müller (CSU) prüft, der lange von einer Fortsetzung der Arbeit in Afghanistan ausging und die Gefährdungslage der Ortskräfte unterschätzte.
Die Lösungsfindung innerhalb der Bundesregierung habe „zu viel Zeit in Anspruch genommen“, räumte Maas ein. „Wir haben uns zu lange mit diesen Kontroversen aufgehalten. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen.“ Er weigerte sich jedoch, die Schuld einer einzelnen Person zuzuweisen. „Wir waren als Bundesregierung nicht schnell genug handlungsfähig.“ Die Vorgänge müssten transparent aufgearbeitet werden, um eine Wiederholung zu vermeiden. Entscheidungen seien „nicht rechtzeitig getroffen worden“. Wie die Deutsche Welle berichtet, wird auch Angela Merkel im Dezember vor dem Untersuchungsausschuss aussagen und ihre Rolle im Afghanistan-Einsatz erläutern.
Die Zeit berichtet, dass Akten und E-Mails belegen, dass Maas und sein Team das Risiko eines Taliban-Vormarsches frühzeitig erkannten, aber nicht rechtzeitig handelten. Im Untersuchungsausschuss muss Maas nun aussagen, während der Wahlkampf die Befragungen beeinflusst. Die neuen Recherchen zeigen, dass der Fall Kabuls vermeidbar gewesen sein könnte und das Auswärtige Amt eine entscheidende Rolle spielte.