9.12.2024
Machtwechsel in Syrien HTS und die ungewisse Zukunft

Syriens ungewisse Zukunft nach Assads Fall: Experten befürchten Machtkämpfe

Der Sturz Baschar al-Assads und die Machtübernahme durch die Rebellenallianz unter Führung der islamistischen HTS werfen viele Fragen zur Zukunft Syriens auf. Trotz der Freude über das Ende der Assad-Ära in weiten Teilen des Landes warnen Experten vor drohenden internen Machtkämpfen und weiterer Destabilisierung. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) berichtet, schätzt der Syrien-Experte Charles Lister vom Middle East Institute die Wahrscheinlichkeit solcher Konflikte als "sehr hoch" ein.

Im Mittelpunkt steht die Figur von HTS-Anführer Abu Muhammad al-Golani. Die F.A.Z. zitiert Lister, der Golani als "entschlossene und ehrgeizige Person" beschreibt, die sowohl in Damaskus aufgewachsen ist als auch Dschihad-Erfahrung besitzt. Diese Kombination aus Vertrautheit mit der syrischen Gesellschaft und radikalislamischem Hintergrund mache ihn zu einer komplexen Persönlichkeit. Lister hält Golanis Entwicklung hin zu einem pragmatischen syrischen Nationalisten zwar für authentisch, glaubt aber nicht an ein vollständiges Abstreifen seiner konservativen Überzeugungen. Golani sei pragmatisch genug, um zu verstehen, dass er diese in einem multiethnischen und multikonfessionellen Staat wie Syrien nicht durchsetzen könne, so Lister gegenüber der F.A.Z.

Die derzeitige Euphorie über den Machtwechsel, so Lister in der F.A.Z., werde die verschiedenen Rebellengruppen nur kurzfristig einen. Sobald es um wichtige Entscheidungen gehe, rechnet er mit Konflikten. Golanis Reise von Idlib nach Damaskus deute darauf hin, dass er sich als Königsmacher sieht. Die unterschiedlichen Interessen der Rebellengruppen, insbesondere die Ablehnung von HTS durch die südlichen Rebellen, könnten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen.

Auch das Verhältnis zwischen HTS und der Türkei spielt eine wichtige Rolle. Laut Lister gibt es einen ständigen Kommunikationskanal zwischen HTS und dem türkischen Geheimdienst MIT. HTS sei auf die Türkei angewiesen und wolle Ankara nicht verärgern. Ob die Türkei der aktuellen Offensive zugestimmt hat, bezweifelt Lister jedoch. Die F.A.Z. berichtet, dass die Türkei eine für Oktober geplante Offensive gestoppt habe. Die jetzige Offensive habe die Türkei überrascht, so Lister. Ankara sei erst später eingestiegen, als das Assad-Regime ins Wanken geriet.

HTS hat zuletzt im Westen an Glaubwürdigkeit gewonnen, unter anderem durch Kontakte mit Großbritannien und den USA. Die Gruppe strebt die Streichung von den Terrorlisten an, was laut Lister ein langwieriger Prozess sei. HTS müsse seinen Worten Taten folgen lassen und insbesondere für vergangene Verbrechen Verantwortung übernehmen, so Lister gegenüber der F.A.Z.

Während HTS in Idlib in den letzten Jahren pragmatisch regiert und beispielsweise Christen weitgehend unbehelligt gelassen hat, berichtet die F.A.Z. auch über die Schattenseiten der HTS-Herrschaft. Die Gruppe unterhalte einen Polizeistaat, in dem Andersdenkende verfolgt, willkürlich verhaftet und gefoltert würden. Diese autoritären und diktatorischen Tendenzen seien ein größeres Problem als die islamistische Ausrichtung von HTS, so Lister.

Assads Flucht nach Russland, wo er politisches Asyl erhalten hat, wurde ebenfalls von der F.A.Z. thematisiert. Es bleibt abzuwarten, welche Rolle Assad zukünftig spielen wird und ob ihm politische Auftritte in Russland erlaubt werden.

Syriens Zukunft bleibt ungewiss. Die Hoffnung auf Frieden und Stabilität nach Assads Sturz ist groß, aber die Gefahr interner Konflikte und einer weiteren Gewalteskalation ist real. Die internationale Gemeinschaft steht vor der Herausforderung, den Friedensprozess zu unterstützen und eine weitere Destabilisierung des Landes zu verhindern.

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