19.10.2024
Neuer Wind in Bergen-Enkheim: Dinçer Güçyeter übernimmt das Stadtschreiberamt

Der Mann mit den Einfällen: Dinçer Güçyeter ist neuer Berger Stadtschreiber

Der Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim, obwohl nicht besonders bekannt, hat eine lange Tradition in der Literatur und ein Amt, das unter Literaten einen besonderen Ruf genießt. Dinçer Güçyeter, ein aufstrebender Schriftsteller und Verleger, hat kürzlich das Amt des Stadtschreibers übernommen. Er tritt die Nachfolge von Nino Haratischwili an, die in den letzten Jahren das Amt inne hatte. Die offizielle Übergabe fand im Rahmen des Berger Marktes statt, einem Fest, das in der Region große Bedeutung hat.

Güçyeter ist bekannt für seine unkonventionellen Lesungen, bei denen er die Regeln gerne durcheinanderbringt. „Ich erzähle gern, ich lese nichts vor“, äußerte er sich im Hessencenter, wo er sich als neuer Stadtschreiber vorstellte. „Wie am Theater sollte jeder Abend ein bisschen anders sein. Ich gehe auf die Bühne, und es passiert was.“ Diese Herangehensweise spiegelt seine kreative und dynamische Persönlichkeit wider.

Die Auszeichnung als Stadtschreiber von Bergen-Enkheim ist mit einem Preisgeld von 20.000 Euro verbunden und bietet Güçyeter die Möglichkeit, ein Jahr lang im Stadtschreiberhaus zu wohnen. Diese Tradition wurde 1974 ins Leben gerufen, um Schriftstellern die Möglichkeit zu geben, sich in einer unterstützenden Umgebung kreativ zu entfalten. Güçyeter hat bereits eine klare Vorstellung davon, wie er seine Zeit in Bergen-Enkheim nutzen möchte, um die literarische Szene vor Ort zu beleben.

Dinçer Güçyeter wurde 1979 in Nettetal geboren, wo seine Eltern als türkische Gastarbeiter in den 1960er Jahren nach Deutschland kamen. Seine Kindheit war geprägt von harter Arbeit und dem Streben, sich künstlerisch auszudrücken. Schon früh begann er, Songtexte zu schreiben und entwickelte eine Leidenschaft für das Theater, was ihm half, die Kunst des Geschichtenerzählens zu erlernen. „Ich bin immer Autor und Dichter gewesen“, sagt er, „aber erst mit Anfang vierzig haben die Menschen davon erfahren.“

Bevor er sich ganz der Literatur widmete, arbeitete Güçyeter in verschiedenen Berufen, darunter als Werkzeugmechaniker und Gabelstaplerfahrer. Diese Erfahrungen haben seine Perspektive als Schriftsteller geprägt. „Ich kenne viele Kollegen, die nebenbei in einer Fabrik oder als Kellner arbeiten“, erklärt er, was auf die Herausforderungen hinweist, mit denen viele Schriftsteller konfrontiert sind.

Sein literarischer Werdegang nahm mit der Veröffentlichung seines Gedichtbandes „Mein Prinz, ich bin das Ghetto“ im Jahr 2021 Fahrt auf, für den er den Huchel-Preis erhielt. Im Jahr 2022 folgte sein Debütroman „Unser Deutschlandmärchen“, der mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde. Diese Erfolge haben ihm nicht nur Anerkennung eingebracht, sondern auch zu einem Anstieg an öffentlichen Auftritten und Lesungen geführt.

Um etwas Ruhe zu finden und Zeit mit seiner Familie zu verbringen, zog Güçyeter kürzlich in das alte Haus seiner Großeltern an der türkischen Ägäisküste. Dort, ohne WLAN und Internet, fand er die Möglichkeit, sich auf seine schriftstellerischen Projekte zu konzentrieren und gleichzeitig Abstand von der Hektik des Alltags zu gewinnen. „Manchmal hilft es sehr, auch mal nichts zu tun“, reflektiert er über diese Zeit der Selbstfindung.

Güçyeter plant, während seiner Amtszeit als Stadtschreiber verschiedene Veranstaltungen zu organisieren und lokale Autorinnen und Autoren einzuladen. „Ich möchte die Stadt literarisch beleben“, sagt er und zeigt damit sein Engagement, die Kultur in Bergen-Enkheim zu fördern. Sein Ziel ist es, eine Plattform für den Austausch zwischen verschiedenen kulturellen Gruppen zu schaffen und die Vielfalt der Literatur zu feiern.

Die Jury, die Güçyeter für das Stadtschreiberamt auswählte, lobte seine Fähigkeit, zwischen verschiedenen Kulturen und Sprachen zu wandeln. Sie bezeichneten ihn als „Grenzgänger im besten Sinne“ und hoben hervor, dass er marginalisierten Gruppen eine Stimme gibt. Diese Aspekte seiner Arbeit sind besonders relevant in einer Zeit, in der die Gesellschaft oft polarisiert ist.

Die offizielle Amtseinführung fand im Festzelt auf dem Berger Markt statt, wo Güçyeter eine Antrittsrede hielt. Die Veranstaltung zog zahlreiche Besucher an und bot eine Gelegenheit, die literarischen Talente der Region zu feiern. Die Atmosphäre war geprägt von Vorfreude auf die kommenden Monate, in denen Güçyeter die Möglichkeit hat, seine Ideen und Projekte zu verwirklichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Dinçer Güçyeter als neuer Stadtschreiber von Bergen-Enkheim eine vielversprechende Perspektive für die literarische Landschaft des Stadtteils bietet. Seine unkonventionelle Herangehensweise, gepaart mit seinem Engagement für kulturelle Vielfalt und Inklusion, wird sicherlich dazu beitragen, die lokale Literatur zu bereichern und neue Stimmen zu fördern.

Die Auszeichnung als Stadtschreiber ist nicht nur eine persönliche Ehre für Güçyeter, sondern auch eine Möglichkeit, die Bedeutung der Literatur in der Gesellschaft hervorzuheben. In einer Zeit, in der Geschichten und Erfahrungen geteilt werden müssen, um Verständnis und Empathie zu fördern, ist Güçyeters Rolle als Stadtschreiber von großer Bedeutung.

Die Feierlichkeiten rund um seine Amtsübernahme sind ein Zeichen für die lebendige Kultur in Bergen-Enkheim und die Wertschätzung, die der Literatur in der Region entgegengebracht wird. Güçyeter wird in den kommenden Monaten sicherlich eine zentrale Figur in der literarischen Gemeinschaft sein und die Menschen dazu inspirieren, sich mit den Geschichten und Erfahrungen anderer auseinanderzusetzen.

Quellen: F.A.Z., hessenschau.de, frankfurt.de, Börsenblatt.

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