Die Genehmigung der Gaspipeline Nord Stream 2 steht im Zentrum der Kritik. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) berichtet, werfen Dokumente Zweifel auf die Rechtmäßigkeit der Zertifizierung. Demnach soll ein zentraler Mitarbeiter der Firma, die die Projektsteuerung bei der Zertifizierung übernahm, zuvor für Nord Stream 2 gearbeitet haben. Dies wirft die Frage nach der Unabhängigkeit der Prüfung auf, da diejenigen, die am Bau der Pipeline beteiligt waren, später deren Freigabe begutachteten. Die F.A.Z. berichtet weiter über eine auffällige Nähe zwischen der Prüffirma und dem zuständigen Bergamt Stralsund, was die Zweifel an der Neutralität des Verfahrens weiter verstärkt.
Im Zentrum der Untersuchungen steht die sogenannte „Klimastiftung“, die von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern gegründet wurde, um amerikanische Sanktionen gegen am Bau beteiligte Firmen abzuwehren. Wie die F.A.Z. berichtet, vergab die Stiftung den Auftrag zur Zertifizierung an die BOS Baustoff & Off-Shore Service GmbH, deren Geschäftsführer der Bruder des damaligen Geschäftsführers der „Klimastiftung“ ist. BOS beteuert, die Zertifizierung und das Gutachten seien durch unabhängige Gutachter erstellt worden. Laut F.A.Z. war für die Verifizierung und Gutachtertätigkeiten ein Budget von 6,6 Millionen Euro geplant. Es bleibt unklar, welchen Anteil BOS davon erhielt.
Die F.A.Z. berichtet weiter, dass der für BOS als Projektmanager tätige Nils B. zuvor bei der Betreiberfirma Nord Stream 2 beschäftigt war. Dies geht aus Organigrammen hervor, die der F.A.Z. vorliegen. Die Tatsache, dass ein ehemaliger Mitarbeiter von Nord Stream 2 die Begutachtung der Pipeline leitete, wirft erneut die Frage nach der Unabhängigkeit der Prüfung auf.
Auch die Unabhängigkeit des Prüfberichts selbst wird von der F.A.Z. in Frage gestellt. Eine E-Mail-Korrespondenz, die der Zeitung vorliegt, deutet auf eine direkte Einflussnahme von Nord Stream 2 auf den Bericht hin. Ein Jurist von Nord Stream 2 schickte demnach Änderungsvorschläge an Nils B., die dieser offenbar weitgehend akzeptierte. Die F.A.Z. berichtet zudem über eine persönliche Beziehung zwischen B. und einem Mitarbeiter des Bergamts Stralsund, Rocco M., an den später der Prüfbericht zur Freigabe versandt wurde.
Das Bergamt Stralsund steht ebenfalls im Fokus der Kritik. Wie Oppositionspolitiker nach einer Sitzung des Untersuchungsausschusses berichteten, soll das Bergamt bei der Bundeswehr im Auftrag von Nord Stream 2 nach Koordinaten der U-Boot-Tauchgebiete der NATO in der Region gefragt haben. Zusätzlich veröffentlichte das Bergamt als Verschlusssache eingestufte Schusszahlen der Marine. Innenminister Christian Pegel (SPD) sprach von einem „Versehen“, wie die F.A.Z. berichtet.
Weitere Ungereimtheiten, über die die F.A.Z. berichtet, sind die Vernichtung von Steuerunterlagen der „Klimastiftung“ durch eine Mitarbeiterin des Finanzamtes Ribnitz-Damgarten und das Löschen zahlreicher E-Mails, insbesondere von Innenminister Pegel, der damals für Energie zuständig war. Die Satzung der „Klimastiftung“ soll Pegel selbst verfasst haben, doch in den Metadaten des Dokuments fand sich die Signatur einer internationalen Anwaltskanzlei, die für die Nord Stream AG arbeitete.
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sebastian Ehlers (CDU), kritisiert die mangelnde Kooperation der „Klimastiftung“ und die unzureichende Bereitstellung von Unterlagen, wie die F.A.Z. berichtet. Hannes Damm, Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss, spricht von einer „rechtswidrig erschlichenen“ Genehmigung und einem „selbstgeschriebenen“ Sicherheitsbericht. Die Pipeline hätte seiner Meinung nach niemals genehmigt werden dürfen.
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