4.11.2024
Pflanzenkläranlage reinigt Boden von NS-Munitionsfabrik im Harz

Europas größte Pflanzenkläranlage reinigt Boden ehemaliger NS-Munitionsfabrik

Im Harz wurde die nach Behördenangaben größte Pflanzenkläranlage Europas zur Bodensanierung eröffnet. Wie die Zeit und die dpa Niedersachsen berichten, soll die Anlage in der Nähe von Clausthal-Zellerfeld den Boden des ehemaligen Werks Tanne, einer NS-Munitionsfabrik, von Schadstoffen befreien. Eine kleinere Anlage ist bereits seit einigen Jahren auf dem Gelände im Einsatz.

Die neue Anlage funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie ihre Vorgängerin: Regenwasser wird aufgefangen und durch verschiedene Verfahren gereinigt, darunter die Filterung durch Schilfpflanzen und die Nutzung von Sonneneinstrahlung. Der Bau der neuen Anlage begann 2022, während die erste Anlage bereits 2020 in Betrieb genommen wurde. Das niedersächsische Umweltministerium bezeichnet die Methode als "vergleichsweise einfach, effektiv und kostengünstig".

Umweltminister Christian Meyer (Grüne) betonte die Bedeutung der Anlage: "Die Pflanzenkläranlage ist ein Meilenstein in der langjährigen Sanierungsgeschichte des ehemaligen Fabrikstandorts und ein bedeutender Fortschritt für den Umweltschutz in Niedersachsen."

100.000 Tonnen TNT produziert

Während des Zweiten Weltkriegs zählte das Werk Tanne zu den fünf größten Sprengstoff- und Munitionsfabriken der Nationalsozialisten. Hier wurde hauptsächlich TNT für Bomben und Minen hergestellt. Bis zu ihrer Zerstörung durch einen Luftangriff produzierten Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in der Harzer Anlage rund 100.000 Tonnen TNT.

Die Produktion hinterließ ihre Spuren: Der Boden und das Grundwasser des 110 Hektar großen Geländes sind mit giftigen Chemikalien und Säuren belastet. Die Pflanzenkläranlagen sollen verhindern, dass belastetes Wasser in die nahegelegenen Pfauenteiche gelangt, die Teil des welterbegeschützten Oberharzer Wasserwirtschaft-Systems sind. Vor dem Einsatz der Pflanzenkläranlagen wurde eine herkömmliche Kläranlage mit Aktivkohlefiltern verwendet.

Getarnte Fabrik unter Fichten

Die pflanzlichen Kläranlagen bestehen im Wesentlichen aus zwei großen Wasserbecken, die aus der Luft gut sichtbar sind – im Gegensatz zur ehemaligen Munitionsfabrik. Deren Gebäude waren und sind teilweise noch unter mit Fichten bepflanzten Dächern versteckt, was dem Werk den Decknamen "Tanne" einbrachte.

Im ersten Becken wird belastetes Regen- oder Schmelzwasser gesammelt und durch Sonneneinstrahlung photolytisch gereinigt. Durch das natürliche Gefälle des Geländes fließt das Wasser weiter in das zweite Becken, wo es mithilfe von Tausenden von Schilfpflanzen weiter aufbereitet wird. Der Landkreis Goslar stellte bereits bei der ersten Anlage fest, dass die Reinigungsleistung auch bei kleineren Schilfpflanzen bereits sehr gut ist, optimal ist sie jedoch bei einer Pflanzenhöhe von anderthalb Metern.

Jahrzehntelange Reinigung

Die Behörden rechnen damit, dass die vollständige Reinigung des Bodens noch Jahrzehnte dauern wird. Das ehemalige Sprengstoffwerk zählt laut früheren Angaben des Umweltministeriums zu den größten Altlastenbeseitigungsprojekten. Die Sanierung von Altlasten ist generell ein langwieriger Prozess. Wie aus Daten des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hervorgeht, stieg die Zahl der sanierten und nicht mehr gefährlichen Standorte zum Stichtag 31. Juli 2024 leicht auf 3.087 an. Gleichzeitig gibt es in Niedersachsen laut LBEG noch über 100.000 Altlast-Verdachtsflächen, die größtenteils aus Rüstungsaltlasten oder ehemaligen Fabriken bestehen, in denen mit gefährlichen Chemikalien gearbeitet wurde. Die meisten dieser Flächen müssen noch untersucht werden. Die konkreten Auswirkungen und Gefahren von Altlasten lassen sich nur im Einzelfall beurteilen.

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