29.10.2024
Langwierige Renaturierung Hessische Hochmoore als Klimaschützer

Förster sind pragmatische Menschen. Wenn sie über Nachhaltigkeit reden, sind sie nicht in einer Traumwelt unterwegs. Sie wissen, was ihre Vorgänger vor einer oder zwei Generationen entschieden haben. Und sie erleben, dass das, was sie heute tun, ebenfalls so lange brauchen wird, bis sich die Konsequenzen vor den Augen der Menschen entfalten. In ihrem Revier ist die Natur nicht vom Handeln des Einzelnen entkoppelt, wie es in Städten den Anschein hat. Hier gilt die langfristige Per­spektive: Es gibt Basaltfelder, wo seit der letzten Eiszeit nichts mehr wächst. Es gibt Fichten, die in der Zeit des Nationalsozialismus für die Höhe falsch ausgewählt wurden und jetzt unter den Schneelasten brechen. Es gibt Moore, die zum Torfabbau ausgetrocknet wurden – und zum Klimaschutz nichts mehr beitragen können.

Das ist vor Jahrzehnten geschehen, und jetzt haben Bernd Mordziol-Stelzer und seine Kollegen vom Forstamt Hofbieber drei Monate Zeit. „Drei Monate bleiben uns jedes Jahr für die notwendigen Arbeiten“, sagt der stellvertretende Forstamtsleiter und steht kurz darauf mit seinen Gummistiefeln inmitten eines Projektes zur Wiedervernässung eines Hochmoors. Bevor im Winter die Touristen nicht mehr gestört werden, gibt es Brutzeiten zu beachten. Am Ende bleibt ein kurzes Zeitfenster übrig. Und das für so ein Projekt: „50 Jahre wird es dauern bis zu einer Regeneration, in der die Torfbildung einsetzt“, sagt Mordziol-Stelzer. Nachhaltiges Handeln, so sieht es aus, während die Gummistiefel an dieser Stelle – endlich – wieder im Wasser versinken.

Viele Moore geben Kohlenstoff ab

Viele Hochmoore in Deutschland sind durch menschliche Eingriffe geschädigt worden. Die Entwässerung, die seit dem Mittelalter zur Gewinnung landwirtschaftlicher Flächen und für den Torfabbau stattfand, hat dazu geführt, dass die Moore Kohlenstoff nicht länger speichern, sondern abgeben. Das verstärkt den Treibhauseffekt erheblich. Intakte Hochmoore jedoch, die wiedervernässt und in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurden, können diese Emissionen stoppen und wieder als Kohlenstoffspeicher wirken. Deshalb wird hier im hessischen Biosphärenreservat Rhön, in unmittelbarer Nachbarschaft zur bayerischen Landesgrenze, mithilfe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein größeres Fleckchen Erde zunächst wiederverwässert, dann renaturiert und schließlich regeneriert.

Drei Phasen sind es also, und die erste Phase läuft. Die früheren Entwässerungssysteme sind vollständig verfüllt, die Ohrweiden entfernt, die Fichten ebenfalls, vorhandene Feuchtwiesenrelikte werden erhalten, später Laubholz eingebracht, denn das gehört in die unmittelbare Nähe eines Moores, Erlen oder Birken zum Beispiel. Es ist ein Wiedervernässungsprojekt unweit des „Roten Moores“, nahe der Ulsterquelle, ganz in der Nähe des Fernsehsenders Heidelstein auf bayerischer Seite. Die Wasserkuppe ist nah, man bewegt sich auf knapp 900 Meter Höhe, die Luft ist schon im Herbst frisch – und sie riecht nach der Jahreszeit, im Moor erst recht.

Hier steht nun auch Revierleiter Peter Seufer mit seinem Hund Attila neben Mordziol-Stelzer und pflanzt mit den aus Frankfurt angereisten Helfern die restlichen Moorpflanzen in die bewässerte Fläche. In besonders stark geschädigten Gebieten bringt das Forstamt gezielt Pflanzenmaterial und Saatgut ein, um die Renaturierung zu beschleunigen. Spundwände werden auch noch eingefügt, bis in zwei Meter Tiefe hinab, damit das Wasser bleibt, wo es bleiben soll. Moos soll hier wieder wachsen, denn Torf entsteht im Hochmoor aus abgestorbenen Pflanzenresten, die im sauerstoffarmen Wasser nicht vollständig abgebaut werden. So entsteht eine wachsende Torfschicht, die Kohlenstoff bindet.

Moore sind „Hotspots“ der Artenvielfalt

„Moore sind die effektivsten Kohlenstoffspeicher, die wir in Mitteleuropa haben“, sagt Franziska Tanneberger, Leiterin des Greifswald Moor Centrum, im Gespräch mit der F.A.Z.. „Sie speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Welt zusammen.“ Doch nicht nur für den Klimaschutz sind Moore wichtig, sondern auch für die Artenvielfalt. „Moore sind „Hotspots“ der Biodiversität“, so Tanneberger. „Sie bieten Lebensraum für viele seltene und gefährdete Arten, die sich an die besonderen Bedingungen im Moor angepasst haben.“

Doch die Renaturierung von Mooren ist aufwendig und teuer. „Es ist ein langer Atem nötig“, sagt Mordziol-Stelzer. „Aber es lohnt sich. Denn intakte Moore sind nicht nur gut für das Klima, sondern auch für die Menschen, die in ihrer Umgebung leben.“

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung unterstützt das Wiedervernässungsprojekt im Biosphärenreservat Rhön mit Spenden. Leserinnen und Leser können das Projekt ebenfalls unterstützen.

Quelle: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/hessische-hochmoore-renaturierung-fuer-den-klimaschutz-110075083.html

Weitere
Artikel