Trotz demonstrativer Zuversicht mehren sich die Anzeichen für wirtschaftliche Schwierigkeiten in Russland. Der Krieg in der Ukraine verschlingt enorme Summen, was die Frage aufwirft, wie lange Russland diesen Zustand noch finanzieren kann. Christian von Soest beschreibt in seiner FAZ-Kolumne „Weltblick“, wie Putins „Riesenreich“ bereits auf Reserve fährt.
Wie von Soest in der FAZ ausführt, verschlingen die Kriegsausgaben rund 40 Prozent des russischen Staatshaushaltes – mehr als für Bildung, Gesundheit und Sozialhilfe zusammen. Diese Gelder fließen in die Rekrutierung und Entschädigung von Soldaten, die Beschaffung von Kriegsgerät und Sozialleistungen zur Besänftigung der Bevölkerung. Die Folgen sind eine steigende Inflation, die laut FAZ von der russischen Zentralbank auf über acht Prozent prognostiziert wird, während das Inflationsziel bei vier Prozent liegt. Offiziell lag der Preisanstieg für Konsumgüter im September bei über neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr, unabhängige Experten rechnen jedoch mit deutlich höheren Werten.
Die Zentralbank versucht mit einem Leitzins von 21 Prozent gegenzusteuern, doch die hohen Militärausgaben konterkarieren diese Bemühungen. Der Nationale Wohlfahrtsfonds, der in wirtschaftlich besseren Zeiten angelegt wurde, ist laut FAZ bereits zur Hälfte aufgebraucht und könnte in spätestens anderthalb Jahren vollständig erschöpft sein. Die Einnahmen aus Gasexporten sind drastisch eingebrochen, Gazprom verzeichnet hohe Verluste. Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft können diese Verluste nicht ausgleichen. Der Zugang zu internationalen Finanzmärkten ist durch die westlichen Sanktionen stark eingeschränkt, was die Aufnahme neuer Schulden und die Emission von Anleihen erschwert.
Auch der Tagesspiegel zitiert Christoph Heusgen, den Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, der die Umstellung auf Kriegswirtschaft als „volkswirtschaftlich verheerend“ bezeichnet. Heusgen sieht darin jedoch auch eine Chance für ein Kriegsende, da Russland diesen Zustand seiner Ansicht nach nicht dauerhaft aufrechterhalten kann. Er fordert verstärkten Druck auf Länder wie China, Indien und die Türkei, die weiterhin mit Russland Handel treiben.
Die Journalistin Evgenia Albats von der russischsprachigen Online-Zeitung „New Times“ bestätigt laut BR ebenfalls die angespannte wirtschaftliche Lage. Der Kreml lenke die weiterhin hohen Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport fast vollständig in die Kriegswirtschaft, zulasten des Wohlstands der Bevölkerung. Der Verteidigungshaushalt habe das Niveau des Kalten Krieges erreicht, obwohl Russlands Wirtschaftskraft nur der des US-Bundesstaates New York entspreche. Sergei Gurijew, Dekan der London Business School, prognostiziert laut BR, dass Putin in einem Jahr pleite sein könnte, falls die Sanktionen verschärft und der Druck auf China erhöht würden. Andernfalls reichten die Mittel des Kremls noch für zwei bis drei Jahre.
FOCUS online berichtet, dass der Kreml die Militärausgaben in diesem Jahr um 25 Prozent auf rund 140 Milliarden US-Dollar erhöhen und dieses Niveau mindestens drei Jahre lang halten will. Gleichzeitig strebt Moskau ein Haushaltsdefizit von unter einem Prozent des BIP an, ohne dabei auf unerwartete Einnahmen aus dem Ölgeschäft zu setzen. Stattdessen sollen höhere Steuern die Kriegskasse füllen. Die Einnahmen aus Öl- und Gasexporten sollen laut FOCUS online im kommenden Jahr sinken.
Die Frankfurter Rundschau beschreibt die drastischen Folgen von Putins Kriegswirtschaft für die russische Bevölkerung. Die Zentralbank musste den Leitzins auf 21 Prozent anheben, um die durch die hohen Militärausgaben angeheizte Inflation zu bekämpfen. Experten warnen vor einer Rezession und einem „Burnout“ der russischen Wirtschaft. Auch auf dem Schlachtfeld zeigen sich die Grenzen der russischen Ressourcen: Die Materialverluste sind so hoch, dass die russischen Soldaten auf Panzer aus Sowjetzeiten zurückgreifen müssen, da die Rüstungsindustrie den Bedarf nicht decken kann. Erschwerend kommen die westlichen Sanktionen hinzu, die die Produktion der Rüstungsindustrie zusätzlich beeinträchtigen.
Zusammenfassend steht die russische Wirtschaft trotz Putins öffentlicher Darstellung unter enormem Druck. Die Kriegswirtschaft verschlingt immense Ressourcen, während Sanktionen und hohe Militärausgaben die Inflation anheizen und die Staatsfinanzen belasten. Experten sind uneins darüber, wie lange Russland diesen Zustand noch aufrechterhalten kann, doch die Anzeichen verdichten sich, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Putins Handlungsspielraum zunehmend einengen werden.
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