18.10.2024
Selenskyjs Nuklearandrohung überschattet EU Gipfel

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die westlichen Verbündeten mit Andeutungen über eine mögliche nukleare Bewaffnung seines Landes unter Druck gesetzt. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet, bekräftigte er bei einem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel seine Forderung nach einer raschen Einladung zur Nato-Mitgliedschaft. Sollte diese Einladung nicht erfolgen, sähe er für sein Land keine andere Möglichkeit als eine atomare Wiederbewaffnung. "Welchen Ausweg haben wir? Entweder wird die Ukraine Atomwaffen haben, oder wir müssen in irgendeiner Allianz sein", sagte er laut dpa. Außer der Nato kenne er keine funktionierenden Allianzen.

Die Forderung nach einer raschen Nato-Einladung sowie weitere Punkte von Selenskyjs sogenanntem Siegesplan waren auch Thema beim Kurzbesuch von US-Präsident Joe Biden am Freitag in Berlin. Dort traf er mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen. Später erweiterten der britische Premier Keir Starmer und der französische Präsident Emmanuel Macron die Runde zum Quartett.

Scholz lehnt zentrale Punkte des Selenskyj-Plans ab

Bundeskanzler Scholz begründete seine Ablehnung zentraler Punkte in Selenskyjs Siegesplan mit der Sorge vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. Man trage die Verantwortung dafür, dass aus dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine kein Krieg zwischen Russland und der Nato werde, sagte Scholz laut dpa in Brüssel. An seiner Ablehnung gegenüber der Weitergabe von reichweitenstarken Marschflugkörpern Taurus an die Ukraine werde sich nichts ändern. "Das halte ich nicht für eine richtige Lieferung und dabei bleibt es auch", so der Kanzler.

Selenskyj hatte zuvor Scholz öffentlich dazu aufgefordert, die Marschflugkörper vom Typ Taurus zu liefern. Ein abschreckendes Raketenarsenal könnte seiner Vorstellung nach ein Weg sein, um Russland in Friedensverhandlungen zu zwingen.

Auch bei einer raschen Nato-Einladung steht Scholz auf der Bremse. Der Kanzler verwies auf die Beschlüsse des jüngsten Nato-Gipfels in Washington. Dort hatten die Bündnisstaaten sich lediglich darauf verständigt, der Ukraine allgemein zuzusichern, dass sie auf ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufgehalten werde.

Die Ukraine wehrt seit mehr als zweieinhalb Jahren eine großangelegte russische Invasion ab. Die Nacht auf Freitag begann für den Norden des Landes einschließlich der Hauptstadt Kiew erneut mit Luftalarm. Die ukrainische Luftwaffe ortete zahlreiche russische Kampfdrohnen am Himmel.

Selenskyj: "Wir machen keine Atombomben"

In weiteren Äußerungen in Brüssel versuchte Selenskyj, die Befürchtungen über eine nukleare Bewaffnung seines Landes zu dämpfen. Es gebe keine konkreten Pläne für den Bau von Atomwaffen. "Wir machen keine Atombomben", sagte er laut dpa bei einer Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Zugleich verwies er noch einmal auf nicht eingehaltene Absprachen aus dem Budapester Memorandum von 1994. Damals habe die Ukraine die auf ihrem Gebiet stationierten sowjetischen Atomwaffen abgegeben. Im Gegenzug hätten die Atommächte dem Land Sicherheit versprochen, doch dies habe nicht funktioniert, sagte Selenskyj.

Als Sicherheitsgarantie bitte die Ukraine nun um eine rasche Einladung in die Nato. "Eine Einladung würde die Ukraine diplomatisch unterstützen", sagte Selenskyj. Deshalb sei dies zentral in seinem Siegesplan. Er verwies auch darauf, wie viele Waffensysteme aus Nato-Ländern schon in der Ukraine im Einsatz seien, wie eng die Zusammenarbeit sei. Es wäre falsch, die Ukraine politisch außen vor zu lassen, wenn sie praktisch bereits integriert sei.

Für die westlichen Partner der Ukraine eröffnet Selenskyj eine schwierige und kaum annehmbare Alternative. Wichtige Nato-Staaten wie die USA und Deutschland wollen sich aus Angst vor einer Eskalation mit Russland vorerst nicht auf einen klaren Weg der Ukraine ins Bündnis festlegen. Zugleich ist die internationale Staatengemeinschaft bemüht, das Entstehen weiterer Atommächte zu verhindern. Der neue Nato-Generalsekretär Stoltenberg verwies darauf, dass die Allianz der Ukraine den Beitritt grundsätzlich versprochen habe. "Die Ukraine wird Nato-Mitglied sein", sagte er. Einen Zeitplan nannte Stoltenberg allerdings nicht.

Quelle: dpa

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