Die Frage „Warum kommt denn jetzt sie zuerst?“ hallte durch den überfüllten Wartebereich der Notaufnahme. Eine ältere Frau, die mit ihrer Enkelin gekommen war, um ein verstauchtes Handgelenk untersuchen zu lassen, hatte die Szene beobachtet: Eine junge Frau wurde mit Blaulicht und Sirene eingeliefert, ihr Zustand kritisch. Das medizinische Personal reagierte sofort, die junge Frau wurde an lebenserhaltenden Geräten angeschlossen und in einen Schockraum gebracht. Die ältere Frau, verunsichert durch die Hektik, wandte sich an ihre Enkelin und stellte die Frage, die wohl vielen in diesem Moment durch den Kopf ging.
Die Triage, die Auswahl von Patienten nach Dringlichkeit, ist ein alltäglicher Prozess in der Notaufnahme. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem Bericht vom 14.11.2024 beschreibt, entscheidet nicht der Patient selbst, wann er behandelt wird, sondern ein Algorithmus. Dieses System, basierend auf Vitalparametern und dem vorliegenden Krankheitsbild, soll sicherstellen, dass Patienten mit lebensbedrohlichen Zuständen priorisiert werden. Es ist ein System, das Leben retten kann, aber auch zu Unverständnis und Frustration bei den Wartenden führen kann, die die medizinische Notwendigkeit der Priorisierung nicht immer nachvollziehen können.
Der Tod ist ein ständiger Begleiter in der Notaufnahme. Sterbebegleiter Dirk Müller, der seit über 25 Jahren in der Hospizbewegung tätig ist, berichtet im Tagesspiegel vom 12.10.2024, dass das Sterben individuell ist und die Gesellschaft verlernt hat, mit dem Tod umzugehen. Er betont die Wichtigkeit der Aufklärung und des offenen Umgangs mit dem Thema. Seine Erfahrungen zeigen, dass das Sterben zwar nicht immer schön, aber gut sein kann, wenn den Sterbenden Trost und Begleitung zuteilwird.
Die Konfrontation mit dem Tod, wie sie in der Notaufnahme stattfindet, kann auch für das medizinische Personal belastend sein. Die Ärztin Iryna Fingerova schildert im SZ Magazin vom 31. Juli 2024 ihre Erfahrungen mit verschiedenen Arten des Sterbens während ihrer Hausbesuche. Sie berichtet von Leid und Hoffnungslosigkeit, aber auch von der Erkenntnis, worauf es im Leben letztlich ankommt. Die Nähe zum Tod schärft den Blick für die wesentlichen Dinge im Leben.
Die Webseite des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) bietet Informationen für Angehörige sterbender Patienten. Hier wird beschrieben, welche körperlichen und psychischen Veränderungen im Sterbeprozess auftreten können. Das UKSH betont die Wichtigkeit der Begleitung durch nahestehende Menschen und gibt Hinweise, wie Angehörige mit der Situation umgehen können. Die Informationen sollen Angehörigen helfen, die Zeichen des nahenden Todes zu erkennen und den Sterbenden in seinen letzten Stunden beizustehen.
Die letzten Worte Sterbender, wie sie in einem Artikel auf Zeit Online vom 23. September 2018 dokumentiert sind, geben einen Einblick in die Gedanken und Gefühle von Menschen, die mit dem Tod konfrontiert sind. Die Aussagen zeigen die unterschiedlichen Arten, mit dem Sterben umzugehen, und offenbaren, was den Menschen am Ende ihres Lebens wichtig ist. Die Worte sind berührend und machen deutlich, dass der Tod ein Teil des Lebens ist.
Die Frage der älteren Frau in der Notaufnahme, „Warum kommt denn jetzt sie zuerst?“, ist Ausdruck der menschlichen Natur. Sie zeigt das Bedürfnis nach Ordnung und Gerechtigkeit, aber auch die Unsicherheit und Angst im Angesicht von Krankheit und Tod. Die Triage, so unverständlich sie im ersten Moment erscheinen mag, ist ein System, das versucht, in einer Ausnahmesituation die bestmögliche medizinische Versorgung für alle zu gewährleisten.
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