19.10.2024
VW vor Herausforderungen: Sparmaßnahmen und mögliche Werksschließungen im Fokus

Automobilindustrie: VW-Sparkurs: Werksschließungen und Entlassungen möglich

Die Situation bei Volkswagen (VW), dem größten Automobilhersteller Europas, hat sich in den letzten Wochen erheblich verschärft. Im Rahmen eines umfassenden Sparprogramms hat das Unternehmen angekündigt, dass Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger ausgeschlossen werden. Diese Entscheidung wurde nach einer Führungskräftetagung getroffen, in der die Notwendigkeit einer grundlegenden Restrukturierung der Kernmarke VW betont wurde. Die zuvor mit dem Betriebsrat geschlossene Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausschloss, wird nun aufgehoben.

Der Vorstand von VW hat erklärt, dass die aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen eine drastische Anpassung erfordern. „Auch Werkschließungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten können in der aktuellen Situation ohne ein schnelles Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden“, so ein Unternehmenssprecher. Diese Aussage verdeutlicht die Dringlichkeit, mit der VW auf die sich verändernden Marktbedingungen reagieren muss. Der bisher geplante Stellenabbau durch Altersteilzeit und Abfindungen reicht nicht aus, um die angestrebten Einsparziele zu erreichen.

Reaktionen von Gewerkschaften und Betriebsrat

Die Reaktionen auf diese Ankündigung waren sofort und heftig. Gewerkschaften und der Betriebsrat haben umgehend Widerstand angekündigt. In einer Sonderausgabe der Betriebsratszeitung „Mitbestimmen“ wurde erklärt, dass die Pläne „ein Angriff auf unsere Beschäftigung, Standorte und Tarifverträge“ seien. Der Betriebsratsvorsitzende Cavallo betonte, dass es unter seiner Führung keine Standortschließungen geben werde. Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger bezeichnete die Pläne als „unverantwortlich“ und als Bedrohung für die „Grundfesten von Volkswagen“.

Bislang hat VW keine konkreten Zahlen veröffentlicht, wie viele der rund 120.000 Stellen in Deutschland betroffen sein könnten. Der Betriebsrat hat jedoch angedeutet, dass der Markenvorstand mindestens ein Fahrzeugwerk und eine Komponentenfabrik in Deutschland als entbehrlich erachtet.

Politische Reaktionen und Forderungen

Auch auf politischer Ebene gibt es Forderungen, die Standortschließungen zu vermeiden. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt, hat betont, dass es unbestrittenen Handlungsbedarf bei VW gebe. Er forderte das Unternehmen auf, zunächst alle anderen Möglichkeiten zur Kostensenkung zu prüfen, bevor über Standortschließungen nachgedacht werde. „Wir erwarten, dass sich die Frage einer Schließung von Standorten durch die erfolgreiche Nutzung von Alternativen schlichtweg nicht stellt“, so Weil.

Historischer Kontext der Werksschließungen

Es ist bemerkenswert, dass die letzte Schließung eines Produktionsstandorts bei VW mehr als 30 Jahre zurückliegt. 1988 wurde die Fabrik in Westmoreland, USA, geschlossen. In Deutschland hat VW bisher nie ein Werk geschlossen. Die Produktionsstätten in Deutschland umfassen unter anderem das Stammwerk in Wolfsburg sowie Fabriken in Hannover, Emden, Osnabrück, Braunschweig, Salzgitter, Kassel, Zwickau, Dresden und Chemnitz. Die Tochtergesellschaft Audi hat kürzlich ihr Werk in Brüssel auf den Prüfstand gestellt, was auf eine breitere Umstrukturierung innerhalb des Konzerns hindeutet.

Wirtschaftliche Herausforderungen und Sparmaßnahmen

Konzernchef Oliver Blume hat die Notwendigkeit dieser Maßnahmen mit der sich zuspitzenden Lage in der europäischen Automobilindustrie begründet. „Das wirtschaftliche Umfeld hat sich nochmals verschärft“, sagte Blume. Um die angestrebten Ergebnisverbesserungen von zehn Milliarden Euro bis 2026 zu erreichen, müssen die Kosten nun stärker als bisher geplant gesenkt werden. Laut Berichten könnte es um Einsparungen von bis zu vier Milliarden Euro gehen, die zusätzlich realisiert werden müssen.

Die Kernmarke Volkswagen hat seit Jahren mit hohen Kosten zu kämpfen und liegt in Bezug auf die Rendite hinter anderen Konzernmarken wie Skoda, Seat und Audi zurück. Ein im Jahr 2023 aufgelegtes Sparprogramm sollte die Situation verbessern, indem unter anderem die Personalkosten in der Verwaltung um 20 Prozent gesenkt werden sollen. Bisher setzte VW beim Personalabbau auf Altersteilzeit und Abfindungen, wobei entsprechende Programme im Frühjahr 2024 nochmals ausgeweitet wurden. Für Abfindungen von bis zu 474.000 Euro für besonders lang gediente Mitarbeiter wurden 900 Millionen Euro zurückgelegt.

Ausblick auf die Zukunft

Die Situation bei Volkswagen bleibt angespannt, und es ist unklar, wie die angekündigten Maßnahmen konkret umgesetzt werden. Der Konflikt zwischen dem Management und dem Betriebsrat könnte sich weiter zuspitzen, insbesondere wenn es um die konkreten Standorte und die Anzahl der betroffenen Stellen geht. Die kommenden Monate werden entscheidend dafür sein, wie Volkswagen auf die Herausforderungen reagiert und welche Maßnahmen letztlich ergriffen werden, um die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens zu sichern.

Die Entwicklungen bei Volkswagen sind nicht nur für die Mitarbeiter des Unternehmens von Bedeutung, sondern auch für die gesamte Automobilindustrie in Europa. Die Entscheidungen, die in den nächsten Wochen und Monaten getroffen werden, könnten weitreichende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Landschaft in der Region haben.

Quellen: dpa, Zeit Online, Tagesspiegel, Saarbrücker Zeitung, Mindener Tageblatt

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