Kontroverse um abgesagten Vortrag von Benny Morris an der Universität Leipzig
Die kurzfristige Absage eines Vortrags des israelischen Historikers Benny Morris an der Universität Leipzig zum Thema „The 1948 War and Jihad“ hat eine heftige Debatte über Wissenschaftsfreiheit und den Umgang mit umstrittenen Positionen im akademischen Umfeld entfacht. Der Vortrag war für den 5. Dezember 2024 im Rahmen der Ringvorlesung „Traditionen und Gegenwart des Antisemitismus“ geplant.
Die Theologische Fakultät begründete die Absage mit einer Kombination aus „kontroversen Aussagen“ Morris', Forderungen „verschiedener Gruppen“ und „Sicherheitsbedenken“. Das Rektorat der Universität Leipzig betonte die Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit und erklärte, die Entscheidung zur Absage sei von der Theologischen Fakultät, nicht von der Universitätsleitung getroffen worden. Rektorin Eva Inés Obergfell verwies auf das „aufgeheizte gesellschaftliche Klima“ und die damit verbundenen Drohungen gegen Veranstalter. Im Fall von Benny Morris habe die Sorge um die Sicherheit der Anwesenden zur Absage geführt. Forschung & Lehre berichtet von "in der Art und Weise beängstigenden" studentischen Protesten aufgrund jüngerer Äußerungen von Morris, "die teilweise als verletzend und sogar rassistisch gelesen werden können".
Professor Gert Pickel, Mitveranstalter der Ringvorlesung, bedauerte die Absage und räumte ein, dass Unterstützungsangebote intensiver hätten geprüft werden sollen. Gegenüber der Jüdischen Allgemeinen äußerte er die Sorge, „dass es zu traumatisierenden Erfahrungen für jüdische Angehörige unserer Universität kommen könnte.“ Gleichzeitig betonte er, die Absage werde „dem Gedanken des Diskursraumes Universität nicht gerecht“. Auch Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) unterstrich laut Jüdischer Allgemeine die Bedeutung der freien wissenschaftlichen Bildung und der kontroversen Debatte an Hochschulen.
Die Absage stieß auf breite Kritik. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung argumentiert Thomas Thiel, die Begründung der Universität sende ein fatales Signal und werfe die Frage auf, ob Aktivisten über die Diskussionsinhalte an Hochschulen entscheiden dürften. Verschiedene Organisationen, darunter TaMaR Germany e.V., die Jüdische Allianz Mitteldeutschland und das Bündnis Israelsolidarischer Gruppen und Personen in Leipzig, kritisierten die Entscheidung als „nicht hinnehmbar“ und als Einknicken vor israelfeindlichen Gruppen. In einer Stellungnahme auf der Webseite von TaMaR Germany wird darauf hingewiesen, dass Gruppen wie „Students for Palestine“ verstärkt mit judenfeindlichen Parolen auf dem Campus präsent seien und bereits im November die Ausladung von Morris gefordert hätten. Jungle World berichtet, dass "Students for Palestine Leipzig" zum Protest gegen den Vortrag aufgerufen und die Universität mit Protest-E-Mails überschüttet habe.
Benny Morris selbst reagierte empört und warf der Universität Leipzig laut Jungle World „Feigheit“ vor. Er betonte, die strittigen Zitate stammten aus einem 20 Jahre alten Interview mit der Zeitung Haaretz. Die ZEIT berichtet, der Zweck der Veranstaltung habe in der kritischen Auseinandersetzung mit Morris' Thesen bestanden. Die Universität distanzierte sich von den kontroversen Aussagen des Historikers. Israelnetz berichtet, die Universität habe Morris als renommierten Historiker mit bedeutenden Beiträgen zum israelisch-palästinensischen Konflikt gewürdigt, gleichzeitig aber auf seine jüngsten Äußerungen hingewiesen, „die teilweise als verletzend und sogar rassistisch gelesen werden können“.
Die Kontroverse um die Absage wirft grundlegende Fragen zum Umgang mit kontroversen Positionen im akademischen Kontext auf und erfordert eine Abwägung zwischen Wissenschaftsfreiheit, Schutz vor Diskriminierung und der Sicherheit von Universitätsangehörigen.
Quellen:
- Frankfurter Allgemeine Zeitung: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-ausladung-von-benny-morris-an-der-universitaet-leipzig-110158979.html
- Universität Leipzig: https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/statement-der-universitaet-leipzig-zur-absage-der-veranstaltung-the-1948-war-and-jihad-mit-prof-dr-benny-morris-2024-12-02
- Jüdische Allgemeine: https://www.juedische-allgemeine.de/politik/nach-absage-von-vortrag-uni-leipzig-betont-freiheit-der-wissenschaft/
- Jüdische Allgemeine: https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/die-universitaet-leipzig-kuscht-vor-bds-anhaenger/
- Forschung & Lehre: https://www.forschung-und-lehre.de/politik/vortrag-wegen-rassistischer-aeusserungen-abgesagt-6792
- TaMaR Germany e.V.: https://www.tamargermany.de/blog/stellungnahme-zur-absage-der-veranstaltung-the-1948-war-and-jihad-mit-benny-morris
- Israelnetz: https://www.israelnetz.com/leipzig-vortrag-des-israelischen-historikers-morris-abgesagt/
- Jungle World: https://jungle.world/artikel/2024/49/benny-morris-leipzig-gecancelt-die-geschichtsstunde-faellt-aus
- ZEIT ONLINE: https://www.zeit.de/news/2024-12/01/uni-sagt-nach-protesten-vortrag-israelischen-professors-ab