16.10.2024
Drusische Gastfreundschaft im Libanonkonflikt

Im Schatten des anhaltenden Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah zeichnet sich im Libanon eine besondere Form der Gastfreundschaft ab. Die Rede ist von den Drusen, einer religiösen Minderheit im Nahen Osten, die im Libanon insbesondere im Chouf-Gebirge beheimatet ist. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtet, werden in der beschaulichen Bergstadt Aley, östlich von Beirut gelegen, libanesische Kriegsvertriebene, die aufgrund der Kampfhandlungen ihre Heimat verlassen mussten, von der drusischen Bevölkerung aufgenommen.

Für viele Vertriebene, wie beispielsweise den Landarbeiter Shadi aus Südlibanon, ist es bereits das zweite Mal, dass sie in Aley Zuflucht suchen. Schon während des Libanonkrieges 2006 bot die Stadt ihnen Schutz. Die Gastfreundschaft der Drusen ist jedoch nicht allein Ausdruck humanitärer Hilfe, sondern auch von strategischem Kalkül geprägt. An der Spitze der Drusen steht der einflussreiche Politiker Walid Dschumblat, bekannt für seinen politischen Instinkt und seine Fähigkeit, die Interessen seiner Gemeinschaft auch in turbulenten Zeiten zu wahren.

Die Drusen, die sich selbst als „Muwahhidun“ (Bekenner der Einheit Gottes) bezeichnen, blicken auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück. Ihre Religion, die im 11. Jahrhundert aus dem Ismailismus hervorging, ist von Elementen verschiedener Glaubensrichtungen geprägt. Im Libanon stellen sie mit rund 350.000 Angehörigen eine Minderheit dar, die jedoch aufgrund ihrer geografischen Konzentration im Chouf-Gebirge und ihrer politischen Organisation eine gewichtige Rolle im libanesischen Machtgefüge spielt.

Dschumblat, dessen Familie seit Generationen die Geschicke der Drusen lenkt, hat die „Sozialistische Fortschrittspartei“ (SFP) gegründet, die zwar offen für alle Libanesen ist, jedoch mehrheitlich von Drusen getragen wird. Im Laufe der Jahre hat Dschumblat immer wieder die Seiten gewechselt und Bündnisse mit den jeweils aussichtsreichsten Partnern geschlossen. So kämpften die Drusen im libanesischen Bürgerkrieg (1975-1990) zunächst an der Seite der Christen, später dann an der Seite der Muslime.

Im aktuellen Konflikt hat sich Dschumblat mit der Hisbollah verbündet, was die Aufnahme der mehrheitlich schiitischen Flüchtlinge aus dem Südlibanon erklärt. Die Drusen sehen in der Hisbollah, die über eine schlagkräftige Miliz verfügt, einen Garanten für den Schutz ihrer Interessen im Libanon. Gleichzeitig versuchen sie, sich nicht zu stark von Israel zu isolieren, in dem eine drusische Minderheit lebt, die dem jüdischen Staat gegenüber loyal ist.

Die Aufnahme der Kriegsvertriebenen in Aley ist somit Ausdruck einer komplexen Gemengelage, in der humanitäre Hilfe, politische Interessen und religiöse Solidarität eng miteinander verwoben sind. Die Drusen, die in ihrer Geschichte immer wieder Verfolgung und Diskriminierung erfahren haben, wissen um die Bedeutung von Schutz und Sicherheit. Mit ihrer Gastfreundschaft demonstrieren sie nicht nur ihre Solidarität mit den Opfern des Krieges, sondern auch ihre Fähigkeit, in einem von Instabilität und Unsicherheit geprägten Umfeld zu bestehen.

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