Der deutsche Handball steht vor der Herausforderung, die Diversität innerhalb seiner Reihen zu stärken. Während in anderen Ländern, wie beispielsweise Frankreich, Spieler*innen mit Migrationshintergrund eine feste Größe im Handball darstellen, ist die deutsche Handball-Landschaft noch immer vergleichsweise homogen. Wie die F.A.Z. berichtet, sind im aktuellen Kader der deutschen Nationalmannschaft lediglich zwei Spieler mit Migrationshintergrund vertreten: Marko Grgic mit kroatischen Wurzeln und der in Lettland geborene Renars Uscins. Dies steht im Kontrast zu den rund 26 Prozent der deutschen Bevölkerung, die einen Migrationshintergrund haben.
Frankreich hingegen, so die F.A.Z., integriert seit langem erfolgreich Talente mit Migrationshintergrund, insbesondere aus den Pariser Vororten. Spieler wie Dika Mem, dessen Eltern aus Kamerun und Réunion stammen, oder Grace Zaadi, deren Eltern beide aus Kamerun kommen, sind Bestbeispiele für die erfolgreiche Integration und dienen als Vorbilder für nachfolgende Generationen. Auch bei den Frauen sind Spielerinnen mit afrikanischen Wurzeln wichtige Stützen der Nationalmannschaft. Der französische Nationaltrainer Guillaume Gille sieht in dieser Diversität einen wichtigen Faktor für den Erfolg des französischen Handballs.
Der Deutsche Handballbund (DHB) hat die Notwendigkeit zur Förderung der Diversität erkannt. Laut F.A.Z. sieht DHB-Vorstandsvorsitzender Mark Schober großes Potential bei Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund, da Handball in der Türkei eine etablierte Sportart ist. Auch im Balkan, im Baltikum, in Polen und der Ukraine sieht der DHB Potential, da Handball dort einen hohen Stellenwert hat. Der Verband plant gezielte Maßnahmen, um diese Zielgruppen zu erreichen, wie beispielsweise Grundschulaktionstage, mehrsprachige Flyer und die Anpassung der Spielordnung, um beispielsweise das Tragen von Kopftüchern zu ermöglichen. Wie die F.A.Z. weiter ausführt, setzt der DHB dabei auf „Brückenpersonen“, die den Kontakt zu Kulturvereinen und Vereinen der migrantischen Selbstverwaltung herstellen.
Die taz beleuchtete bereits 2016 die Thematik der Diversität im deutschen Handball und zitierte den damaligen Vizepräsidenten des DHB, Bob Hanning, mit den Worten: „Das tut auch unserer Kultur gut, andere Kulturen zu verstehen.“ Der Artikel hob hervor, dass die Handballvereine niemanden bewusst ausschließen, jedoch Spieler*innen mit Migrationshintergrund oft gar nicht erst den Weg in die Hallen finden. Ein Grund dafür, so die taz, sei die Dominanz des Fußballs, der gerade bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund sehr beliebt ist.
Eine Studie der Universitäten Stuttgart und Bielefeld, über die die Frankfurter Rundschau berichtete, untersuchte die Mitgliedergewinnung im Handball und stellte fest, dass in keiner anderen Sportart weniger Kinder mit Migrationshintergrund vertreten sind. Die Soziologin Carmen Borggrefe führt dies unter anderem auf die „Konstruktion von Zugehörigkeit“ innerhalb von Vereinen zurück, die dazu führe, dass sich neue Mitglieder hauptsächlich aus dem Familien- und Freundeskreis rekrutieren. Dies verstärkt die Homogenität innerhalb der Vereine und erschwert die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.
Wie der Kreuzer Leipzig in einem Interview mit der Sportsoziologin Petra Tzschoppe darlegte, spielt auch die mediale Darstellung eine Rolle. Tzschoppe kritisiert die Fokussierung der Medienberichterstattung auf den Männersport und fordert eine stärkere Repräsentation von Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Sportverbände.
Verwendete Quellen:
https://www.faz.net/aktuell/sport/handball-wm/deutscher-handballbund-will-mehr-diversitaet-im-urdeutschen-sport-110262701.html
https://www.fr.de/sport/sport-mix/integration-handball-geschlossene-gesellschaft-deutschland-zr-12879629.html
https://taz.de/Voelkisch-homogener-Handball/!5306864/
https://kreuzer-leipzig.de/2017/12/04/medial-ist-maennersport-das-mass-der-dinge