19.10.2024
Lebensform LAT in der Lebensmitte: Freie Wahl oder Zwangslage?

Living-Apart-Together in der zweiten Lebenshälfte - notwendiges Übel oder selbstgewählte Lebensform?

In den letzten Jahren hat sich ein bemerkenswerter Trend in den Lebensformen von Menschen in der zweiten Lebenshälfte herauskristallisiert: das sogenannte „Living-Apart-Together“ (LAT). Diese Lebensform beschreibt Partnerschaften, in denen die Partner bewusst in getrennten Haushalten leben, obwohl sie eine feste Beziehung führen. Diese Art des Zusammenlebens wirft viele Fragen auf, die sowohl soziologisch als auch psychologisch von Interesse sind.

Die amtliche Statistik und der soziale Status

In der amtlichen Statistik wird der institutionelle Partnerschaftsstatus abgebildet. Das bedeutet, dass Personen, die alleine in ihrer Wohnung leben, als partnerlos gelten. Diese Herangehensweise lässt jedoch außer Acht, dass eine wachsende Zahl von Menschen in einer Partnerschaft lebt, jedoch in zwei eigenen Haushalten. Diese Form des Zusammenlebens wird als „Living-Apart-Together“ (LAT) bezeichnet.

Der Deutsche Alterssurvey (DEAS) bietet wertvolle Einblicke in diese Lebensform. Mit den Daten des DEAS können Aussagen über Menschen in der zweiten Lebenshälfte getroffen werden, die in LAT-Partnerschaften leben. Es ist wichtig, diese Personengruppe näher zu erforschen, um zu verstehen, inwieweit sie zusammenlebenden Paaren ähnelt, beispielsweise hinsichtlich eines verminderten Einsamkeitsrisikos oder eines höheren Wohlbefindens, oder aber partnerlosen Personen, insbesondere mit Blick auf Armutsrisiken und Wohnkostenbelastung.

Statistische Erhebungen und Erkenntnisse

Laut einer repräsentativen Befragung des Deutschen Alterssurveys gaben knapp 6 Prozent der Befragten an, in einer LAT-Partnerschaft zu leben. Eine zentrale Frage in der Untersuchung war, ob diese Lebensform selbst gewählt ist oder ob sie aus beruflichen und/oder privaten Verpflichtungen an unterschiedlichen Orten resultiert. Eine weitere Überlegung ist, ob LAT als Vorstufe zum Zusammenziehen betrachtet werden kann.

Die Wissenschaftlerinnen haben hierzu die Frage gestellt: „Und unabhängig von Ihren Lebensumständen, wie sehr wünschen Sie es sich, mit Ihrer/Ihrem jetzigen (Ehe)Partner*in in einem gemeinsamen Haushalt zu leben?“ Die Ergebnisse zeigen, dass in der gesamten Gruppe der ab 43-Jährigen mehr als die Hälfte (54,7 Prozent) angab, sich einen gemeinsamen Haushalt mit dem/der Partner*in zu wünschen.

Altersspezifische Unterschiede

Die Untersuchung ergab deutliche Unterschiede in den Wünschen nach einem gemeinsamen Haushalt, je nach Alter der Befragten. Bei den 43- bis 65-Jährigen sehnen sich über 60 Prozent nach einem Zusammenleben, während es bei Personen ab 66 Jahren nur noch jede/r Fünfte ist (61,7% vs. 20,2%).

Diese Unterschiede könnten damit zusammenhängen, dass ältere Menschen schon länger in ihrem Wohnumfeld leben und daher nicht umziehen wollen oder sich bereits an einen Alltag allein gewöhnt haben. Luisa Bischoff ergänzt: „Wir haben uns auch Unterschiede zwischen Frauen und Männern angeschaut, die allerdings nicht statistisch signifikant sind. Die Verteilungen spiegeln jedoch die Ergebnisse bisheriger Studien wider, dass Männer sich eher eine Partnerin wünschen, mit der sie in einem gemeinsamen Haushalt leben und sich Frauen eher einen Partner wünschen, mit dem sie ihre freie Zeit verbringen können, für den sie jedoch nicht in einem gemeinsamen Haushalt sorgen müssen.“

Einfluss von Einkommen und Bildungsabschluss

In der Studie wurden ebenfalls die Verteilung partnerschaftlicher Lebensformen allgemein und die Unterschiede nach Einkommenshöhe und Bildungsabschluss berücksichtigt. Diese Faktoren können erheblichen Einfluss darauf haben, wie und in welcher Form Menschen in der zweiten Lebenshälfte ihre Partnerschaften leben.

Die detaillierten Ergebnisse der Studie sind in der Publikation „Weder alleinstehend noch zusammenlebend: Living-Apart-Together in der zweiten Lebenshälfte“ von Bischoff, Hameister und Drewitz (2024) nachzulesen.

Vor- und Nachteile des LAT-Modells

Das LAT-Modell bietet sowohl Vorteile als auch Nachteile. Vorteilhaft ist, dass beide Partner ihre Unabhängigkeit und ihren persönlichen Raum bewahren können. Dies kann insbesondere für Personen, die bereits längere Zeit alleine gelebt haben, von großem Vorteil sein. Zudem kann diese Lebensform helfen, Konflikte zu vermeiden, die durch das Zusammenleben entstehen könnten.

Auf der anderen Seite gibt es auch Nachteile. So kann das getrennte Leben höhere Kosten verursachen, da zwei Haushalte geführt werden müssen. Zudem können soziale Isolation und Einsamkeit ein Risiko darstellen, insbesondere wenn einer der Partner gesundheitliche Probleme hat und Unterstützung benötigt.

Zukunftsperspektiven und gesellschaftliche Veränderungen

Die wachsende Zahl von LAT-Partnerschaften spiegelt auch einen gesellschaftlichen Wandel wider. Die traditionellen Vorstellungen von Partnerschaft und Zusammenleben werden zunehmend hinterfragt und neue Lebensformen entstehen. Diese Veränderungen bieten neue Perspektiven und Möglichkeiten, erfordern jedoch auch Anpassungen in der sozialen und politischen Landschaft.

Es bleibt abzuwarten, wie sich das LAT-Modell in Zukunft weiterentwickeln wird und welche Auswirkungen es auf die Gesellschaft haben wird. Klar ist jedoch, dass diese Lebensform zunehmend an Bedeutung gewinnt und einen wichtigen Aspekt des sozialen Lebens in der zweiten Lebenshälfte darstellt.

Fazit

Living-Apart-Together in der zweiten Lebenshälfte ist mehr als nur ein notwendiges Übel. Es ist eine selbstgewählte Lebensform, die viele Vorteile, aber auch einige Herausforderungen mit sich bringt. Die Forschung zeigt, dass diese Lebensform eine wichtige Rolle im Leben vieler Menschen spielt und dass sie sowohl Vorstufe zum Zusammenziehen als auch eine eigenständige Lebensform sein kann. Die Zukunft wird zeigen, wie sich diese Lebensform weiterentwickelt und welche Bedeutung sie in unserer Gesellschaft haben wird.

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