Das Burgtheater in Wien hat mit der Inszenierung von Thomas Bernhards „Holzfällen. Eine Erregung“ ein bemerkenswertes Projekt auf die Bühne gebracht. Die szenische Lesung, die am 13. September 2024 Premiere feierte, wird von dem Schauspieler Nicholas Ofczarek und der Musicbanda Franui musikalisch begleitet. Diese Aufführung ist nicht nur eine Hommage an Bernhards Werk, sondern auch eine Neuinterpretation, die das Publikum auf eine emotionale und musikalische Reise mitnimmt.
„Holzfällen“, ursprünglich 1984 veröffentlicht, gilt als eines der bedeutendsten Werke von Thomas Bernhard. Der Roman löste bei seiner Veröffentlichung einen Skandal aus und wurde als scharfe Kritik an der Wiener Gesellschaft und dem Burgtheater selbst verstanden. Der Ich-Erzähler, der in der Erzählung an einem „künstlerischen Abendessen“ teilnimmt, äußert seine Abneigung gegen die Anwesenden und reflektiert über deren Verhalten sowie über seine eigene Existenz. Diese tiefgründige, oft bissige Analyse der Gesellschaft wird von Ofczarek mit großer Leidenschaft und Ausdruckskraft vermittelt.
Die Inszenierung am Burgtheater ist eine Zusammenarbeit zwischen Ofczarek und der Musicbanda Franui, die für ihre innovative Herangehensweise an die Verbindung von Musik und Theater bekannt ist. Die Band, die 1993 gegründet wurde, hat es sich zur Aufgabe gemacht, klassische Texte mit musikalischen Elementen zu bereichern. In dieser Produktion kombinieren sie eigene Kompositionen mit Werken von Komponisten wie Paul Abraham, John Cage, Henry Purcell und Anton Webern. Diese musikalische Untermalung verleiht der Lesung eine zusätzliche Dimension und verstärkt die emotionale Wirkung der Texte.
Die Aufführung findet in einem eindrucksvollen Bühnenbild statt, das von Paul Grilj gestaltet wurde. Die Beleuchtung und die Anordnung der Musiker schaffen eine Atmosphäre, die den Zuschauer sofort in die Welt von Bernhards Erzählung eintauchen lässt. Ofczarek, der in der Mitte der Bühne sitzt, trägt die Texte mit einer Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor vor, was das Publikum sowohl zum Nachdenken als auch zum Lachen bringt. Die musikalischen Einlagen, die geschickt in die Lesung integriert sind, unterstützen die Erzählung und unterstreichen die emotionalen Höhepunkte der Handlung.
Ein zentrales Element der Inszenierung ist die Reflexion über die Rolle des Burgtheaters selbst. Bernhard kritisiert in seinem Werk nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Institution des Theaters und deren Protagonisten. Ofczarek bringt diese Kritik auf eine Weise zum Ausdruck, die sowohl respektvoll als auch herausfordernd ist. Die Darstellung des „künstlerischen Abendessens“ wird zu einem Spiegel der Wiener Gesellschaft, in dem die Charaktere mit ihren Schwächen und Abgründen konfrontiert werden.
Die Premiere von „Holzfällen“ wurde von den Zuschauern begeistert aufgenommen. Die Kombination aus Bernhards scharfer Prosa und der musikalischen Begleitung von Franui schafft ein einzigartiges Erlebnis, das die Zuschauer in seinen Bann zieht. Die Inszenierung ist nicht nur eine Rückkehr zu einem Klassiker der österreichischen Literatur, sondern auch eine Einladung, sich mit den Themen der Selbstreflexion und der gesellschaftlichen Kritik auseinanderzusetzen.
Die Aufführung wird in den kommenden Wochen weiterhin am Burgtheater zu sehen sein und ist bereits für mehrere Gastspiele in anderen renommierten Theatern, darunter das Berliner Ensemble und das Schauspielhaus Bochum, angekündigt. Diese Produktion ist ein Beweis für die zeitlose Relevanz von Bernhards Werk und die Fähigkeit der Darsteller und Musiker, seine Botschaften neu zu interpretieren und zum Leben zu erwecken.
Insgesamt zeigt die Inszenierung von „Holzfällen“ am Burgtheater, wie wichtig es ist, klassische Texte in einen modernen Kontext zu setzen. Die Verbindung von Literatur und Musik eröffnet neue Perspektiven und ermöglicht es dem Publikum, sich auf eine tiefere Ebene mit den Themen und Charakteren auseinanderzusetzen. Thomas Bernhards Werk bleibt somit nicht nur ein literarisches Erbe, sondern wird durch solche Aufführungen lebendig gehalten und neu interpretiert.
Die Inszenierung von „Holzfällen“ ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Theater als Kunstform weiterhin relevant bleibt und die Zuschauer dazu anregt, über sich selbst und die Gesellschaft, in der sie leben, nachzudenken.