Der parteilose Oberbürgermeister von Neubrandenburg, Silvio Witt, hat seinen Rückzug aus dem Amt angekündigt. Die Entscheidung erfolgte nur einen Tag, nachdem die Stadtvertreter das Hissen der Regenbogenflagge am Bahnhof untersagt hatten. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) erklärte Witt, dass diese Entscheidung zwar nicht der alleinige Grund für seinen Rücktritt sei, aber „am Ende einer langen Kette von Ereignissen“ dazu beigetragen habe.
Witt beschrieb die politische Kultur in der 65.000-Einwohner-Stadt als zunehmend vergiftet. „In der Kommunalpolitik ist nicht nur der Ton rauer geworden, sondern die Zusammenarbeit insgesamt“, so Witt gegenüber der FAZ. Er habe erleben müssen, wie mit Unterstellungen, Schmähungen, Beleidigungen und Vorwürfen gegen ihn gearbeitet wurde. „Das alles trug dazu bei, dass ich sagte, meine Kraft reicht nicht mehr aus für die Aufgabe.“
Besonders die zunehmende Aggressivität und Respektlosigkeit in der politischen Auseinandersetzung scheinen Witt zermürbt zu haben. Er betonte, dass er zu Beginn seiner Amtszeit vor fast zehn Jahren noch von einem fairen Umgang miteinander ausgegangen sei, diese Hoffnung aber enttäuscht worden sei.
Obwohl Witt den Zusammenhang zwischen dem Verbot der Regenbogenflagge und seinem Rücktritt nicht direkt herstellt, lässt sich doch vermuten, dass die Entscheidung der Stadtvertreter symptomatisch für das Klima ist, das ihn zum Rücktritt bewogen hat. Die Debatte um die Regenbogenflagge wird vielerorts kontrovers geführt, oft dient sie aber auch als Projektionsfläche für generelle Vorbehalte gegenüber sexueller Vielfalt und Toleranz.
Witts Rücktritt wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, denen sich Politiker, insbesondere auf kommunaler Ebene, in der heutigen Zeit gegenübersehen. Zunehmende Polarisierung, verbale Entgleisungen und mangelnder Respekt vor Andersdenkenden machen es immer schwieriger, sachliche und konstruktive politische Arbeit zu leisten.
