7.1.2025
Staatsbürgerschaftsentzug bei Straftaten Kontroverse um Merz Vorschlag

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Merz' Vorschlag zur Ausbürgerung straffälliger Doppelstaatler

CDU-Chef Friedrich Merz' Vorschlag, straffälligen Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen, hat eine heftige Debatte über die Verfassungsmäßigkeit dieser Maßnahme ausgelöst. Das Bundesinnenministerium hat laut Zeit verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft allein aufgrund von Straftaten sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

Die Aberkennung der Staatsbürgerschaft sei kein verhältnismäßiges Mittel, argumentiert das Ministerium, solange die bestehenden rechtsstaatlichen Instrumente zur Bekämpfung von Kriminalität ausreichen. Artikel 16 des Grundgesetzes schütze die deutsche Staatsbürgerschaft vor staatlichem Entzug gegen den Willen des Betroffenen. Ein Verlust der Staatsbürgerschaft sei nur dann zulässig, wenn dies auf Grundlage eines Gesetzes geschehe und der Betroffene nicht staatenlos werde.

Merz hatte seinen Vorschlag in einem Interview mit der Welt am Sonntag vorgestellt. Er argumentierte, die von der Ampel-Koalition beschlossene doppelte Staatsbürgerschaft führe zu zusätzlichen Problemen und solle wieder auf begründete Ausnahmefälle beschränkt werden. Ein CDU-Sprecher präzisierte die Position: Es gehe darum, die Tatbestände für einen Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft bei Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit auszuweiten, die mehrfach schwere Straftaten begangen haben und eine Gefahr für die Sicherheit darstellen. Menschen, die zwei Pässe haben und seit Jahren friedlich in Deutschland leben, seien nicht betroffen.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) kritisiert Merz' Vorschlag scharf. Der TGD-Vorsitzende Gökay Sofuoglu bezeichnete den Vorschlag laut Radio RST als unangemessen, insbesondere angesichts der Zunahme rechtsextremistischer Straftaten. Menschen mit Migrationsgeschichte würden so zu Deutschen "auf Bewährung" degradiert. Aslihan Yesilkaya-Yurtbay, Co-Vorsitzende des Migrantenverbandes, kritisierte laut Mindener Tageblatt, dass Merz seinen Vorschlag im Kontext des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt geäußert habe, obwohl der Täter weder deutscher Staatsbürger war noch zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten war.

LTO analysiert die rechtliche Problematik: Es stelle sich die Frage, ob Straftaten als "Abwendung" von Deutschland im Sinne des Bundesverfassungsgerichts gewertet werden können. Eine Rücknahme der Staatsbürgerschaft sei derzeit nur bei rechtswidrig erschlichener Einbürgerung möglich, beispielsweise bei später enttarnten Islamisten. Ob sich dies auf strafbares Verhalten übertragen lasse, sei fraglich.

SPD, Grüne und FDP lehnen den Vorschlag ab, berichtet die Badische Zeitung. SPD-Chefin Saskia Esken wirft Merz vor, mit "rechtspopulistischem Feuer" zu spielen. Auch SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese argumentiert laut taz, der Vorschlag würde "de facto Deutsche erster und zweiter Klasse schaffen". Katharine Dröge, Fraktionsvorsitzende der Grünen, betont, es gebe keine Bürger zweiter Klasse. FDP-Fraktionsvorsitzender Konstantin Kuhle sieht gravierende verfassungsrechtliche und praktische Probleme bei einer nachträglichen Aberkennung der Staatsbürgerschaft.

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnt laut Tagesschau vor einem "Dammbruch" und einer "Zweiklassengesellschaft bei der Staatsbürgerschaft". Pro Asyl wirft den Unionsparteien eine "Radikalisierung" in der Asylpolitik vor.

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