19.10.2024
Cannabis auf dem Prüfstand: Deutschland ringt um historische Legalisierung
Im Zentrum der politischen Diskussion in Deutschland steht derzeit ein historischer Gesetzentwurf: Die Abgeordneten des Bundestages sollen über die Teil-Legalisierung von Cannabis entscheiden. Nach einer intensiven und langwierigen politischen Debatte wird am Freitag, dem 23. Februar 2024, im Bundestag namentlich über den Gesetzentwurf der Bundesregierung abgestimmt, der einen kontrollierten Umgang mit Cannabis (Cannabisgesetz – CanG) ermöglichen soll. Erwachsenen könnte damit der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum gestattet werden. Der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum fällt ebenfalls unter die potenziellen Neuregelungen. Die Regierungskoalition verspricht sich von der Gesetzesnovelle, den Gesundheitsschutz zu verbessern, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen und den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. Der Gesetzentwurf fußt auf der Annahme, dass der Konsum von Cannabis trotz der bisherigen Verbotsregelungen weiter ansteigt und dass das vom Schwarzmarkt bezogene Cannabis oft mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden ist. Unbekannte THC-Gehalte sowie potenzielle giftige Beimengungen und Verunreinigungen werden als Argumente für eine Regulierung angeführt. Während der private Eigenanbau und die kontrollierte Weitergabe von Cannabis durch Anbauvereinigungen erleichtert werden sollen, sind strenge Vorschriften vorgesehen. Die Anbauvereinigungen beispielsweise dürfen maximal 500 Mitglieder haben, die in Deutschland wohnhaft sein müssen. Die Weitergabe von Cannabis an Mitglieder wird streng reglementiert, und der Konsum von Cannabis in Schutzzonen um Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie öffentliche Sportstätten wird verboten. Ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und Anbauvereinigungen ist ebenso Teil des Entwurfs. Darüber hinaus ist eine Stärkung der Prävention durch eine Aufklärungskampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) geplant, die über die Wirkung und Risiken von Cannabis informieren soll. Der Bundesrat hat in einer Stellungnahme zwar seine Bedenken hinsichtlich hoher finanzieller Folgebelastungen der Länder und der effektiven Kontrolle des THC-Gehalts geäußert, die Bundesregierung teilt diese Bedenken jedoch nicht. Sie verweist auf die Einsparungen durch Entkriminalisierung und die Möglichkeit, die eingesparten Mittel für Überwachung und Prävention einzusetzen. Nichtsdestotrotz trifft der Gesetzentwurf auf Widerstand. Die Unionsfraktion und die AfD-Fraktion haben Anträge eingereicht, die den Stopp der geplanten Legalisierung fordern. Sie argumentieren, dass insbesondere junge Menschen gefährdet seien, da die Entwicklung des Gehirns bis 25 Jahre andauert. Kritische Stimmen warnen vor negativen Einflüssen auf die kognitive Entwicklung und psychische Gesundheit sowie einem möglichen Anstieg des Cannabiskonsums. Sie fordern eine verstärkte Aufklärung und Forschung über die Risiken des Cannabiskonsums und den medizinischen Nutzen von Cannabisarzneimitteln. Die Diskussion über die Teil-Legalisierung von Cannabis hat auch die Fachwelt erreicht. Etwa 30 Forscher und Experten haben in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten appelliert, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Sie argumentieren, dass die Teil-Legalisierung einen wichtigen Schritt in Richtung Gesundheitsschutz und sozialer Gerechtigkeit darstellen würde und dass Erfahrungen aus anderen Ländern keine Erhöhung des Konsums nach einer Legalisierung zeigen. Abseits des Expertendiskurses gibt es auch Kritik von Seiten der Medizinverbände sowie von Innenpolitikern, die vor negativen Auswirkungen auf den Jugendschutz und die öffentliche Sicherheit warnen. Die Innenminister der Länder weisen auf "gravierende negative Auswirkungen" hin, die sie durch die Legalisierung befürchten. Gesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigt indes die Pläne und betont, dass die Teillegalisierung den Konsumenten ermöglichen würde, Cannabis ohne Schwarzmarkt zu beziehen und somit Risiken durch toxische Beimischungen zu vermeiden. Nach 18 Monaten ist eine Auswertung der neuen Regeln vorgesehen. Der Ausgang der Abstimmung im Bundestag wird mit Spannung erwartet. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, stellt es einen einschneidenden Wandel in der deutschen Drogenpolitik dar, der nicht nur die Gesellschaft, sondern auch das Rechts- und Gesundheitssystem Deutschlands nachhaltig beeinflussen könnte.
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