In der Welt des Online-Shoppings hat sich ein neuer Akteur etabliert, der die Konkurrenz, insbesondere Amazon, vor große Herausforderungen stellt. Temu, ein Billiganbieter aus China, hat sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht und sorgt für Aufregung unter deutschen Einzelhändlern. Mit extrem niedrigen Preisen und einer Vielzahl von Produkten versucht Temu, Marktanteile zu gewinnen und die etablierten Plattformen unter Druck zu setzen.
Temu ist eine Tochtergesellschaft von Pinduoduo, einem der größten E-Commerce-Unternehmen Chinas. Das Geschäftsmodell von Temu ähnelt dem von Amazon, da es als Marktplatz fungiert, auf dem Drittanbieter ihre Produkte verkaufen können. Temu selbst produziert keine Waren, sondern ermöglicht es Händlern, ihre Produkte gegen eine Provision auf der Plattform anzubieten. Diese Struktur erlaubt es Temu, eine breite Palette von Artikeln zu extrem niedrigen Preisen anzubieten, was für viele Verbraucher attraktiv ist.
Ein Blick auf die Preisgestaltung zeigt, dass Temu Produkte wie T-Shirts für 2,98 Euro oder Jacken für 21,98 Euro anbietet. Solche Preise sorgen für Schnappatmung unter den deutschen Einzelhändlern, die sich fragen, wie sie mit diesen extremen Preisvorteilen konkurrieren können. Ein Handelsfachmann schätzt, dass Temu bis zu 40 Prozent günstigere Waren im Vergleich zu Amazon anbieten kann. Diese Preisvorteile könnten jedoch durch die Öffnung der Plattform für europäische Händler verringert werden, da diese Händler Lagerhaltungskosten tragen müssen.
Bisher war ein großes Manko von Temu die lange Lieferzeit. Kunden in Deutschland mussten oft bis zu zwei Wochen auf ihre Bestellungen warten, da die meisten Händler in China ansässig waren. Mit der jüngsten Entscheidung, den Marktplatz für europäische Verkäufer zu öffnen, könnte sich dies jedoch ändern. Ab Juli 2024 können Händler aus ausgewählten europäischen Ländern, darunter Deutschland, ihre Produkte über Temu anbieten. Dies könnte zu schnelleren Lieferzeiten und einem größeren Produktangebot führen.
Eine Sprecherin von Temu erklärte, dass die Einbindung lokaler Verkäufer das Einkaufserlebnis verbessern würde, indem den Kunden eine größere Auswahl an Produkten mit kürzeren Lieferzeiten angeboten wird. Medienberichten zufolge sollen Verkäufer zunächst keine Grundgebühr oder Verkaufsprovision zahlen müssen, um möglichst viele Händler anzuziehen. Diese Strategie wird als direkter Angriff auf Amazon angesehen.
Trotz des beeindruckenden Wachstums sieht sich Temu auch mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Kritiker bemängeln die Qualität der Produkte und die Arbeitsbedingungen der Händler. Der europäische Spielwarenverband TIE hat beispielsweise festgestellt, dass viele Produkte von Temu nicht den EU-Vorschriften entsprechen und teilweise Sicherheitsrisiken darstellen. Diese Bedenken könnten das Vertrauen der Verbraucher in die Plattform beeinträchtigen.
Darüber hinaus steht Temu in einem Rechtsstreit mit Shein, einem weiteren großen Akteur im Bereich des Online-Shoppings. Shein beschuldigt Temu, Designs kopiert zu haben und durch Nachahmungen ein Geschäftsimperium aufgebaut zu haben. Diese rechtlichen Auseinandersetzungen könnten die Expansion von Temu in Europa weiter komplizieren.
Die Reaktion von Amazon auf die Bedrohung durch Temu ist bereits spürbar. Berichten zufolge plant Amazon, ein neues Discount-Modell einzuführen, das es chinesischen Anbietern ermöglicht, ihre Produkte direkt an US-Konsumenten zu versenden. Diese Maßnahme zielt darauf ab, die Marktanteile von Temu und Shein zu reduzieren und die eigenen Verkaufszahlen zu sichern.
Die Konkurrenz zwischen diesen Plattformen könnte zu einem Preiskampf führen, der letztendlich den Verbrauchern zugutekommt, aber auch die Margen der Anbieter unter Druck setzt. Experten warnen jedoch, dass dieser Preiskampf nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Produktqualität führen wird. Die Frage bleibt, ob sich die Verbraucher langfristig für die günstigeren Preise von Temu entscheiden oder ob sie bereit sind, mehr für Produkte mit höherer Qualität zu zahlen.
Temu stellt eine ernsthafte Bedrohung für Amazon und andere etablierte Einzelhändler dar. Mit extrem niedrigen Preisen, einer breiten Produktpalette und der Öffnung für europäische Händler könnte Temu in der Lage sein, Marktanteile zu gewinnen und das Online-Shopping in Europa nachhaltig zu verändern. Dennoch wird die Plattform auch weiterhin mit Herausforderungen konfrontiert sein, insbesondere in Bezug auf Qualität und rechtliche Auseinandersetzungen. Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um zu sehen, ob Temu seinen Platz im europäischen Markt behaupten kann und wie die Reaktion der Konkurrenz darauf ausfallen wird.
Quellen: F.A.Z., F.A.Z., bgland24.de, derStandard, Blick, Focus.
