Thüringen: Stabil ist hier gar nichts
Die Koalitionsverhandlungen in Thüringen zwischen CDU, SPD und BSW sind abgeschlossen und ein Koalitionsvertrag liegt vor. Doch ob die sogenannte „Brombeerkoalition“ tatsächlich zustande kommt, ist weiterhin ungewiss. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, gibt es sowohl innerhalb der Parteien als auch im Hinblick auf die benötigten Mehrheiten im Landtag noch erhebliche Hürden zu überwinden.
Sahra Wagenknecht, Gründerin des BSW, äußerte sich, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, in der ARD-Talkshow von Sandra Maischberger positiv über den ausgehandelten Koalitionsvertrag. Sie betonte „wesentliche Verbesserungen“ gegenüber dem Sondierungspapier, ohne jedoch konkrete Details zu nennen. Diese öffentliche Zustimmung Wagenknechts könnte ein Zeichen für eine strategische Annäherung an den Landesverband vor der Bundestagswahl sein.
Der Koalitionsvertrag, der laut Süddeutscher Zeitung am Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, enthält konkrete Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wirtschaft und Migration. So sollen unter anderem verpflichtende Deutschtests vor der Einschulung, mehr Lehrer und Polizisten, eine kostenlose Meisterausbildung, Bürokratieabbau, schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen umgesetzt werden.
Trotz der Einigung auf den Vertragstext bleiben die Hürden für die Bildung der Koalition hoch. Innerhalb der CDU soll ein kleiner Parteitag über den Koalitionsvertrag abstimmen. Bei der SPD, die bei der Landtagswahl ein historisch schlechtes Ergebnis erzielte, ist die Stimmung kritischer. Die Mitglieder sollen über den Vertrag abstimmen, das Ergebnis wird am 9. Dezember erwartet. Auch beim BSW entscheiden die Mitglieder auf einem Parteitag am 7. Dezember über den Koalitionsvertrag. Hier besteht Unsicherheit über die genaue Mitgliederzahl und deren politische Ausrichtung, da die Aufnahme neuer Mitglieder zentral vom Bundesvorstand geregelt wird. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, äußerte die BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf ihre Irritation darüber, dass der Bundesvorstand Mitglieder aufgenommen habe, die der Landesverband nicht vorgeschlagen hatte.
Selbst wenn alle drei Parteien dem Koalitionsvertrag zustimmen, bleibt die Frage der Mehrheitsfindung im Landtag. CDU, SPD und BSW verfügen zusammen nur über die Hälfte der Mandate. Für eine Mehrheit sind sie auf Stimmen aus der Opposition angewiesen. Die stärkste Oppositionsfraktion ist die AfD, eine Zusammenarbeit mit dieser schließen alle Koalitionspartner aus. Bleibt die Linkspartei, doch ein fester Kooperationsvertrag ist aufgrund eines Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU ausgeschlossen. Der geschäftsführende Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte zwar eine Unterstützung der „Brombeerkoalition“ in Aussicht gestellt, verfolgt aber nun eigene Pläne und kandidiert für den Bundestag.
Die Situation in Thüringen bleibt also weiterhin instabil und der Weg zu einer neuen Regierung ist mit zahlreichen Unwägbarkeiten gepflastert. So stellt sich auch die Frage nach der Besetzung des Landtagspräsidentenamtes, welches traditionell der stärksten Fraktion zusteht. Wie der Verfassungsblog analysiert, könnte dieses Amt, sollte es an die AfD fallen, erheblichen Einfluss auf die politische Landschaft Thüringens haben, auch ohne eine Regierungsbeteiligung der AfD. Auch die Möglichkeit der Einführung konsultativer Volksbefragungen, wie sie die AfD auf Bundesebene fordert und die in Thüringen mit einfacher Mehrheit eingeführt werden könnten, wird im Verfassungsblog als potentielles Instrument zur Manipulation des öffentlichen Diskurses diskutiert.
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die „Brombeerkoalition“ tatsächlich zustande kommt und welche politischen Konsequenzen sich aus der aktuellen Situation in Thüringen ergeben.
Quellen:
- Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/politik/thueringen-koalitionsverhandlungen-bsw-cdu-spd-unsicherheit-lux.YaQaUaTTZkfoasrJLZU5dz
- Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/politik/thueringen-koalition-einigung-bsw-spd-cdu-vertrag-lux.Pc6i5pFerGFGwJCqKXw6Fx
- Facebook: https://www.facebook.com/ihre.sz/posts/in-th%C3%BCringen-einigen-sich-cdu-spd-und-bsw-auf-die-wesentlichen-punkte-einer-koal/1004686795035661/
- Deutschlandfunk: https://www.deutschlandfunk.de/kommentar-kommunalwahl-thueringen-afd-100.html
- MDR: https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/koalitionsverhandlungen-bsw-cdu-spd-wie-laufen-ab-100.html
- Universität Erfurt, WortMelder: https://www.uni-erfurt.de/forschung/aktuelles/forschungsblog-wortmelder/warum-die-machtuebernahme-durch-die-afd-schon-frueher-beginnen-koennte-als-viele-glauben
- Verfassungsblog: https://verfassungsblog.de/wenn-bjorn-hocke-sein-volk-befragt/