18.10.2024
Volle Häuser Leere Kulturstätten

Ein ausverkauftes Haus ist der Traum eines jeden Theatermachers. Es zeugt von der Anziehungskraft des Stücks, der Popularität des Ensembles und der gelungenen Marketingarbeit. Doch ein voller Saal ist nicht gleichbedeutend mit künstlerischem Erfolg oder gar einem anspruchsvollen Programm. Manchmal verbirgt sich dahinter auch der Wunsch nach leichter Unterhaltung, wie Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung am 18. Oktober 2024 am Beispiel des Berliner Ensembles feststellt.

Dort feierte Michael Frayns Komödie "Der nackte Wahnsinn" Premiere, ein Stück, das Laudenbach als "unzerstörbare 1980er-Jahre-Klamotte" und "Hochleistungsboulevard" bezeichnet. Obwohl die Inszenierung von Oliver Reese durchaus professionell sei, werfe sie doch die Frage auf, ob sich das Theater angesichts knapper werdender Kulturmittel bereits auf eine Zukunft als kommerzieller Unterhaltungsbetrieb einstelle.

Ganz anders hingegen die Erfahrung mit Sophie Passmanns Soloprogramm, das ebenfalls am Berliner Ensemble zu sehen ist. Passmann, die als Autorin und Moderatorin bekannt ist, füllt den Saal mit einer ganz anderen Art von Publikum. Ihre Fans, so Laudenbach, hätten "ziemlich gute Gründe dafür", sie "für die coolste Person des Planeten zu halten".

Passmanns Erfolg zeigt, dass ein ausverkauftes Haus viele Facetten haben kann. Es ist nicht zwangsläufig ein Indiz für seichte Unterhaltung, sondern kann auch Ausdruck eines gewissen Publikumsgeschmacks sein. Letztlich entscheiden die Zuschauer, welches Stück ihren Geschmack trifft und welches nicht. Und manchmal ist ein ausverkauftes Haus eben einfach nur ein ausverkauftes Haus.

Doch nicht nur die Wahl des Stücks, auch das Verhalten des Publikums kann den Theaterabend beeinflussen. Dominik Lapp beschreibt in einem Kommentar auf kulturfeder.de vom 2. Juni 2024 seine Erfahrungen mit zunehmend rücksichtslosen Zuschauern. Lapps These: Das Publikum selbst hat sich zum größten Störfaktor im Theater entwickelt.

Er berichtet von Handyfilmern, Live-Streams auf TikTok und lauten Gesprächen während der Vorstellung. Lapp kritisiert insbesondere die Unfähigkeit vieler Zuschauer, ihre Smartphones für die Dauer der Vorstellung aus der Hand zu legen. Die Konfrontation mit solchen Stören suche ihn zunehmend dazu, Theaterbesuche zu reduzieren und bestimmte Spielstätten ganz zu meiden.

Lapps Beobachtungen werfen ein Schlaglicht auf ein Phänomen, das viele Theatergänger kennen: Die Hemmschwelle für rücksichtsloses Verhalten im Publikum scheint zu sinken. Ob lautes Tuscheln, Handylicht oder gar Essensgeräusche - was früher undenkbar war, ist heute keine Seltenheit mehr.

Ein ausverkauftes Haus ist also nicht das Schlechteste, aber auch kein Garant für einen gelungenen Theaterabend. Es kommt auf die richtige Mischung an: Ein interessantes Stück, ein engagiertes Ensemble und ein respektvolles Publikum, das bereit ist, sich auf die Magie des Theaters einzulassen.

Quellen:

- Peter Laudenbach: Ein ausverkauftes Haus ist nicht das Schlechteste. In: Süddeutsche Zeitung, 18. Oktober 2024.

- Dominik Lapp: Der größte Störfaktor im Theater? Das Publikum! Auf: kulturfeder.de, 2. Juni 2024.

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