Die Covid-19-Pandemie hat die Bedeutung wissenschaftlicher Politikberatung deutlich hervorgehoben und gleichzeitig die Herausforderungen dieses komplexen Zusammenspiels offengelegt. Wie die Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 (wpn2030) im Rahmen einer Sitzung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung betonte, besteht Nachbesserungsbedarf hinsichtlich der Standards und der Akzeptanz der Beratungstätigkeit, sowohl seitens der Politik als auch innerhalb des Wissenschaftssystems. Ein effektiver Austausch zwischen Wissenschaft und Politik erfordert die Entwicklung geeigneter Formate und ein Monitoring der gemeinsamen Ergebnisse. Die wpn2030 unterstreicht die Bedeutung eines inter- und transdisziplinären Austauschs sowie eines Dialogs mit der Gesellschaft, um ein gemeinsames Werteverständnis zu schaffen und die Akzeptanz von Innovationen zu fördern.
Der Schweizerische Wissenschaftsrat empfiehlt in seinem Bericht zur wissenschaftlichen Politikberatung in Krisenzeiten unter anderem die Entwicklung von Instrumenten, die es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglichen, neue Risiken auf die politische Agenda zu bringen. Weiterhin wird die Präzisierung des Mandats von öffentlich finanzierten Wissenschaftsorganisationen, die Stärkung der Vernetzung zwischen Wissenschaft und Krisenmanagement sowie die Nutzung der Ressortforschung zum Ausbau der Brücken zwischen Politik und Wissenschaft empfohlen. Auch die Anpassung des rechtlichen Rahmens für ausserparlamentarische Kommissionen und die Überarbeitung der "Weisungen über das Krisenmanagement in der Bundesverwaltung" werden als wichtige Schritte genannt.
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat in mehreren Ad-hoc-Stellungnahmen zur Coronavirus-Pandemie Empfehlungen für das politische Handeln ausgesprochen. Dabei steht der Gesundheitsschutz im Vordergrund aller Maßnahmen. Die Stellungnahmen behandeln verschiedene Aspekte der Pandemie, von gesundheitspolitischen Handlungsoptionen über die Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen bis hin zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Bildungssystems. Die Leopoldina betont die Bedeutung einer interdisziplinären Herangehensweise und einer kontinuierlichen wissenschaftlichen Begleitung der Pandemie.
Wie ein Artikel in der "Wirtschaftsdienst" ausführt, hat sich die akademische Volkswirtschaftslehre in den letzten Jahrzehnten von der praktischen Anwendung ihrer Erkenntnisse distanziert, obwohl die Nachfrage nach Expertisen und Gutachten gestiegen ist. Die Politikberatung steht dabei vor der Herausforderung, wissenschaftliche Erkenntnisse mit den Zielen und Mechanismen des politischen Systems in Einklang zu bringen. Die Unabhängigkeit der Wissenschaft ist dabei von zentraler Bedeutung, um das Vertrauen der Politik zu gewährleisten. Gleichzeitig muss die Politikberatung die Komplexität des politischen Prozesses, den Einfluss von Interessengruppen und die Notwendigkeit von Kompromissen berücksichtigen. Eine erfolgreiche Politikberatung erfordert daher neben fachlicher Expertise auch ein Verständnis für rechtliche, administrative und institutionelle Rahmenbedingungen.
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/wissen-2021/325609/wissenschaftliche-politikberatung-in-krisenzeiten/
https://wissenschaftsrat.ch/images/stories/pdf/de/SWR_2022_Wissenschaftliche_Politikberatung.pdf
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw06-pa-nachhaltigkeitsbeirat-819732
https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s10273-022-3240-2.pdf