21.10.2024
Zögerliche Fortschritte beim Schutz der Artenvielfalt

Wenn gut 80 Prozent der Klasse die Hausaufgaben nicht machen, muss man sich nicht nur fragen, was da los ist mit der Arbeitsdisziplin. Sondern auch, welches allgemeine Klima den Eindruck vermittelt, dass das in Ordnung ist und irgendwie nicht so wichtig. An diesem Montag beginnt in Kolumbien die UN-Biodiversitätskonferenz – die erste seit der gefeierten Verabschiedung des Weltnaturabkommens im Dezember 2022. Um die bedrängte Natur bis 2030 auf einen, wie es in einem Ausbruch aus der sachlichen Vertragssprache heißt, „Pfad der Erholung“ zu bringen, wurden 23 Ziele formuliert, vom großflächigen Schutz von Gebieten im Meer und an Land über eine Landwirtschaft, die deutlich weniger Pestizide einsetzt, bis zur Abschaffung von Subventionen, die zu einem Handeln verlocken, das der Natur schadet. Die Delegierten kehrten mit einer Aufgabe in ihre 196 Heimatländer zurück: Bis zur nächsten Konferenz würde jedes Land eine Strategie vorweisen, wie es die Ziele erreichen will.

Wie berichtet die FAZ, sind viele Länder dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Nur 15 Staaten haben ihre Hausaufgaben gemacht, darunter Mexiko, Gastgeber des letzten Gipfels, und die Europäische Union. Deutschland nicht, was besonders peinlich ist, weil sich die Bundesregierung gern als Musterschüler in Sachen Naturschutz gibt. Immerhin gehört Deutschland zu den größten Geldgebern für den internationalen Naturschutz. Doch die Blockadehaltung der FDP in der deutschen Innenpolitik, die ein schärferes Waldschutzgesetz ebenso verhindert wie strengere Regeln für den Pestizideinsatz, macht sich auch international bemerkbar.

Dabei ist die Lage dramatisch. Jede achte Art ist vom Aussterben bedroht; die Rate liegt damit heute mindestens zehn- bis hundertmal höher als in den letzten zehn Millionen Jahren. Wissenschaftler sprechen deshalb vom sechsten Massenaussterben. Ohne Gegenmaßnahmen geht unsere natürliche Lebensgrundlage in rasender Geschwindigkeit verloren. Die Natur selbst wird auch mit weniger Vielfalt auskommen, der Mensch hingegen nicht. Die Natur versorgt uns mit fast allem, was wir für unsere Existenz benötigen, vom Trinkwasser über die Nahrung bis hin zur Kleidung und zu Medikamenten.

Die Erwartungen an die Konferenz in Kolumbien sind daher hoch. Doch die Bereitschaft der Staatengemeinschaft, konkrete Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität zu ergreifen, ist gering. Zu groß ist die Angst vor wirtschaftlichen Einbußen. Zu bequem ist es, die Verantwortung auf andere abzuwälzen. Und so wird die COP16 wohl wieder einmal mit einem Kompromiss enden, der hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die Natur wird es zu spüren bekommen.

Quelle: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/cop-16-in-kolumbien-will-denn-keiner-die-natur-retten-110058325.html

Weitere Quellen:

- https://www.zeit.de/politik/2024-10/un-biodiversitaetskonferenz-artenschutz-kolumbien-nachrichtenpodcastAbo

- https://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/cop16-und-cop29-was-erwarten-klimaschuetzer-von-der-politik-110054587.html

- https://www.boell.de/de/dossier-un-biodiversitaetskonferenz-cancun-cbd-cop13

- https://www.wwf.de/themen-projekte/artenschutz/politische-instrumente/cbd-die-un-konvention

- https://www.tagesschau.de/wissen/klima/naturschutzgebiete-montreal-30x30-ziel-biodiversitaet-101.html

- https://www.sueddeutsche.de/wissen/naturschutz-montreal-konferenz-1.5666982

- https://akzente.giz.de/de/cop16-biodiversitaetskonferenz-2024-kolumbien

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