19.10.2024
Alkoholkonsum im Flugzeug: Eine Herausforderung für das Kabinenpersonal

Flugbegleiter über Alkohol an Bord: „Die Fluggäste sind reizbarer geworden“

In den letzten Jahren hat die Diskussion über den Konsum von Alkohol an Bord von Flugzeugen an Intensität zugenommen. Michael O’Leary, der CEO von Ryanair, hat kürzlich die Besorgnis geäußert, dass Gewalt und Übergriffe während Flügen zunehmen, und führt dies hauptsächlich auf den Alkoholkonsum zurück. Ein erfahrener Flugbegleiter, der anonym bleiben möchte, äußert sich zu diesen Vorwürfen und gibt Einblicke in die Realität des Fliegens mit alkoholisierten Passagieren.

Der Flugbegleiter, der seit 16 Jahren in der Branche tätig ist, erklärt, dass Alkohol in der Luft anders wirkt als am Boden. Die veränderten Bedingungen, wie der niedrigere Sauerstoffgehalt, können die Wirkung von Alkohol verstärken. Trotz dieser Herausforderungen betont er, dass 99 Prozent der Flüge ohne Zwischenfälle ablaufen. Aggressive Passagiere seien nicht die Regel, sondern oft schon am Boden auffällig.

Wenn ein Passagier bereits am Flughafen als problematisch wahrgenommen wird, wird das Kabinenpersonal informiert. In einigen Fällen entscheidet der Kapitän, ob die Person an Bord gelassen wird oder nicht. Der Flugbegleiter beschreibt, dass es wichtig ist, die Situation mit Sensibilität zu behandeln, insbesondere wenn es sich um Passagiere handelt, die möglicherweise unter Flugangst leiden.

Ein zentraler Aspekt im Umgang mit alkoholisierten Passagieren ist die Kommunikation. Der Flugbegleiter erläutert, dass es entscheidend ist, höflich und ehrlich zu bleiben. Wenn ein Passagier zu viel getrunken hat, wird ihm erklärt, dass dies bei der Einreise in das Zielland Probleme verursachen könnte. In der Regel funktioniert dies gut, aber in Gruppensituationen kann es schwieriger werden. Hier wird oft der „Anführer“ der Gruppe angesprochen, um die Situation zu entschärfen.

Es gibt keine festen Regeln, wie viel Alkohol einem Passagier ausgeschenkt werden darf. Vielmehr wird auf den gesunden Menschenverstand des Kabinenpersonals vertraut. Der Flugbegleiter weist darauf hin, dass unterschiedliche Kulturen unterschiedliche Toleranzen gegenüber Alkohol haben. Beispielsweise vertragen viele Passagiere aus China aufgrund genetischer Faktoren weniger Alkohol. Wenn ein Passagier nach mehreren Getränken immer noch ruhig ist, kann es in Ordnung sein, ihm ein weiteres Getränk zu servieren. Bei übermäßigem Konsum wird jedoch häufig ein kleiner Schluck oder Wasser angeboten.

Die Frage, ob Passagiere mit Flugangst Alkohol konsumieren sollten, wird ebenfalls angesprochen. Der Flugbegleiter rät davon ab, da die Auswirkungen unvorhersehbar sein können. Stattdessen ermutigt er Passagiere, sich an die Crew zu wenden, die bereit ist, Unterstützung zu bieten. Er erinnert sich an eine Situation, in der er einer ängstlichen Passagierin während eines gesamten Fluges zur Seite stand und ihr half, ihre Angst zu überwinden.

Die Beobachtungen des Flugbegleiters stehen im Kontrast zu O’Learys pauschalen Forderungen nach einem Alkohol-Limit an Flughäfen. Er betont, dass es Unterschiede zwischen verschiedenen Fluggesellschaften und den Passagiergruppen gibt. Die Art des Fluges, der Preis des Tickets und die Zielorte spielen eine Rolle bei den Verhaltensweisen der Passagiere. Während Junggesellenabschiede und Gruppenreisen oft mit einem höheren Alkoholkonsum einhergehen, ist dies bei Geschäftsreisenden weniger häufig der Fall.

Die Situation hat sich in den letzten Jahren verändert. Der Flugbegleiter bemerkt, dass die Menschen nach der Pandemie reizbarer geworden sind. Die Einschränkungen während der COVID-19-Pandemie haben viele Passagiere gestresst, was sich in ihrem Verhalten während des Flugs niederschlägt. Ein einfaches „Nein“ zu einem weiteren Getränk kann in solchen Momenten zu hitzigen Diskussionen führen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Umgang mit Alkohol an Bord eine komplexe Angelegenheit ist, die sowohl Sensibilität als auch Erfahrung erfordert. Während die Mehrheit der Flüge ohne Vorfälle verläuft, ist das Kabinenpersonal ständig gefordert, die Sicherheit und das Wohlbefinden aller Passagiere zu gewährleisten.

Quellen: F.A.Z.

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