In Australien ist ein neues Gesetz in Kraft getreten, das Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das Recht einräumt, außerhalb der Arbeitszeiten nicht mehr erreichbar zu sein. Dieses Gesetz, bekannt als das „Fair Work Legislation Amendment“, wurde im Februar 2024 vom Parlament verabschiedet und zielt darauf ab, die Work-Life-Balance der Beschäftigten zu verbessern und die psychische Gesundheit zu fördern.
Die ständige Erreichbarkeit, die durch moderne Technologien und Kommunikationsmittel gefördert wird, hat in den letzten Jahren zunehmend negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeitnehmer. Studien zeigen, dass viele Australier unter Stress und Überlastung leiden, was sich negativ auf ihre Lebensqualität auswirkt. Premierminister Anthony Albanese betonte in einem Interview mit dem australischen Rundfunksender ABC, dass es wichtig sei, den Menschen die Möglichkeit zu geben, nach der Arbeit abzuschalten und sich ihrer Familie und ihrem persönlichen Leben zu widmen.
Das Gesetz betrifft zunächst Beschäftigte in mittleren und großen Unternehmen. Diese Arbeitnehmer können nun ihre Mobiltelefone nach Feierabend ausschalten und sind nicht mehr verpflichtet, auf E-Mails oder andere Kontaktversuche ihrer Vorgesetzten zu reagieren. Für Angestellte in kleineren Unternehmen mit weniger als 15 Mitarbeitern treten die neuen Regelungen erst in einem Jahr in Kraft. Es gibt jedoch Ausnahmen, insbesondere in Notfällen, in denen das Ignorieren von Kontaktversuchen als unangemessen angesehen werden kann.
Die Einführung dieses Gesetzes wird als ein Schritt in die richtige Richtung angesehen, um die Work-Life-Balance in Australien zu verbessern. Laut John Hopkins von der Fakultät für Wirtschaft, Recht und Unternehmertum der Swinburne University gibt es in etwa 25 Ländern bereits ähnliche Regelungen, die darauf abzielen, den Arbeitnehmern ein Recht auf Nichterreichbarkeit zu gewähren. Dies könnte langfristig dazu beitragen, die Lebensqualität der Beschäftigten zu erhöhen und Burnout sowie andere stressbedingte Erkrankungen zu reduzieren.
In Europa gibt es bereits einige Länder, die ähnliche Gesetze implementiert haben. In Frankreich beispielsweise sind größere Unternehmen seit 2017 verpflichtet, ihren Mitarbeitern ein „Recht auf Abschalten“ einzuräumen. Diese Regelungen haben in vielen Fällen zu einer signifikanten Verbesserung der Arbeitsbedingungen geführt und die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer gefördert.
Obwohl das neue Gesetz von vielen als positiv angesehen wird, gibt es auch kritische Stimmen aus der Wirtschaft. Der Industrieverband Ai Group äußerte Bedenken, dass die Reform übereilt und schlecht durchdacht sei. Insbesondere die Unklarheit über die Ausnahmeregelungen könnte sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in eine schwierige Lage bringen, wenn es darum geht, ob sie außerhalb der Arbeitszeiten Anrufe annehmen oder tätigen können.
Im Vergleich zu Australien gibt es in Deutschland bereits Regelungen, die die Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeiten betreffen. Arbeitnehmer müssen in der Regel außerhalb ihrer festgelegten Arbeitszeiten nicht erreichbar sein, es gibt jedoch Ausnahmen, wie zum Beispiel die Rufbereitschaft. In solchen Fällen sind die Beschäftigten verpflichtet, erreichbar zu sein und gegebenenfalls sofort zu reagieren.
Das neue Gesetz in Australien stellt einen bedeutenden Fortschritt im Bereich der Arbeitnehmerrechte dar. Es bietet Millionen von Beschäftigten die Möglichkeit, nach Feierabend abzuschalten und ihre Freizeit ohne den Druck ständiger Erreichbarkeit zu genießen. Die langfristigen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und die Work-Life-Balance werden in den kommenden Jahren genau beobachtet werden müssen.
Quellen: Zeit Online, WirtschaftsWoche, Kurier, Tagesschau.
