17.10.2024
ExMI6Spion Steeles Buch beleuchtet russische Wahleinflussnahme

Auch ein Ex-Spion ist manchmal Tourist, und so sitzt Christopher Steele an einem Herbstnachmittag im Büro seiner Literaturagenten und schmunzelt darüber, dass die Bagels in New York seit seinem letzten Besuch schon wieder teurer geworden sind. Steele ist auf Werbetour für sein Buch, das dieser Tage auch auf Deutsch erscheint. „Ungefiltert“ heißt es, und von den fast zeitgleich auf den Markt geworfenen Thomas-Gottschalk-Memoiren unterscheidet es sich zum Glück durch den Untertitel: „Trump, Russland und der Kampf um die globale Demokratie“. Wie die F.A.Z berichtet, wurde Steele durch sein Dossier berühmt, das im Januar 2017 an die Öffentlichkeit gelangte. Darin ging es um mutmaßliche Einflussnahme Russlands auf Trump.

Steele hatte in Russland Informationen von allen möglichen Quellen zusammengetragen. Als ehemaliger Spion des MI6 verfügt er über ein Netz von Informanten und über die Fähigkeit, neue aufzutun. Inzwischen nutzte er dieses Wissen als Chef seiner privaten Sicherheitsfirma Orbis. Sie wurde im Wahlkampf 2016 auch von einer Kanzlei beauftragt, die mit der Kampagne von Trumps demokratischer Gegenkandidatin Hillary Clinton verbunden war. Steele arbeitete mit seinem Unternehmen immer wieder auch für staatliche Stellen. So forschte er zum Beispiel nach Korruption bei der FIFA.

Als er immer mehr Hinweise darauf bekommen habe, dass die Russen Trump beeinflusst hätten, habe er sich an britische und amerikanische Geheimdienste und Regierungsstellen gewandt, sagt Steele. Er hat aus dieser Zeit einige offene Rechnungen zu begleichen, und auch diese werden im Buch breit verhandelt. Das FBI arbeitet seit der Affäre um das versehentlich publik gewordene Dossier nicht mehr mit ihm zusammen. Und die britische Regierung weitete die Distanzierung von ihrem ehemaligen Spion auf dessen Ehefrau Katherine aus, was sie letztlich ihre Position in der Verwaltung kostete.

Steeles Frau und sein Geschäftspartner hätten ihn seinerzeit gewarnt, als er die Informationen seiner Quelle aus Russland zusammenstellte: „Lass die peinlichsten Stellen heraus“, so zitiert er sie im Buch. Würde er heute die Details über den vermeintlichen Sex-Kompromat gegen Donald Trump noch in das Dossier aufnehmen? Ja, sagt Steele, weil das Dokument eben gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei. Für prinzipiell glaubwürdig hält er die Vorwürfe seiner anonymen Quellen bis heute. Denn so, wie der russische Geheimdienst arbeite, wäre es nicht weiter ungewöhnlich, hätten sie Trump damals in dieser Weise in die Falle laufen lassen.

Viele Behauptungen, die Steele damals wie heute aufstellt, lassen sich nicht belegen. Das liege in der Natur der Sache, also an der Art, wie Geheimdienste ihre Informationen sammelten, sagt er. Denn man sammelt eben nur, was die unterschiedlichen Quellen einem berichten. Aus diesen Informationen entsteht dann ein Lagebild, die Frage nach der Plausibilität beurteilen meist andere. Die Hinweise auf russische Bemühungen, Trump zu beeinflussen, seien damals so zahlreich gewesen, dass die Sache an sich plausibel erschienen sei, wenn es auch vielleicht nicht alle Einzel-Informationen gewesen seien. Deswegen habe er sich letztlich auch an die Behörden gewandt.

Ermittlungen mit den Standards von Staatsanwälten fanden bekanntlich später statt, als Sonderermittler Robert Mueller monatelang gegen Trump vorging und dafür auch Steele vernehmen ließ. Mueller kam in seinem Bericht 2019 zu dem Ergebnis, dass es Versuche der Einflussnahme seitens der Russen auf die Kampagne von Trump gab und dass sich dessen Mitarbeiter stellenweise offen dafür zeigten. Die Untersuchung bestätigte zum Teil, was Steele hatte vermuten müssen – aber zum Teil eben auch nicht. So zitiert er das berüchtigte Dossier im Buch auch nicht mehr direkt.

Stattdessen übernimmt er wörtlich Trumps Beteuerungen, nichts davon sei wahr. Das hat auch rechtliche Gründe, denn der ehemalige Präsident ging gerade erst gegen Steele vor Gericht und könnte es erneut tun. Das sei eine teure Angelegenheit, sagt der Privat-Ermittler. Seit der Affäre um das Dossier sei er auch immer wieder bedroht worden. Angesichts russischer Mordanschläge im Ausland liegt die Frage nach der Angst um die eigene Sicherheit nahe. Doch wer mit Anfang Zwanzig, aus einer Familie von Staatsdienern stammend, für den Geheimdienst rekrutiert worden sei, sei verstärkte Sicherheitserwägungen gewohnt.

Wer im Buch neue Enthüllungen sucht, wird enttäuscht, zumindest, wenn es um die Belege für sie geht. Steele behauptet zum Beispiel, dass unter den geheimen Dokumenten, die Trump seinerzeit unerlaubterweise in sein Anwesen Mar-a-Lago mitnahm, auch britische Regierungsgeheimnisse gewesen seien. Die Briten wiesen diese Darstellung dem „Guardian“ gegenüber zurück. Steele schreibt auch von Quellen, die der „Überzeugung“ seien, dass ein israelischer Maulwurf von den Terroristen des Islamischen Staates enttarnt und ermordet worden sei, nachdem Trump dem russischen Botschafter Sergeij Kisljak geheime Unterlagen zur Verfügung gestellt habe. Und da ist die unbelegte Geschichte von dem Informanten, der behauptet, dass der russische Geheimdienst für den Wahlkampf 2020 eine besonders perfide Wahlkampfhilfe-Aktion für Trump plante – angeblich sollten Amerikaner in Irak oder Syrien gekidnappt werden, so dass Trump die Krise dann heroisch hätte lösen können.

Steele ist dieser Tage nicht der Einzige, der neue Details über vermeintliche oder belegte Einflussversuche und Kontakte der russischen Führung zu Trump veröffentlicht. Auch der Journalist Bob Woodward wartet in seinem neuen Buch mit Enthüllungen auf. Trump soll demnach auch nach dem Ende seiner Präsidentschaft Kontakt mit Putin gehalten haben. Aaron Zebley, James Quarles und Andrew Goldstein, drei Mitarbeiter des Ermittler-Teams um Robert Mueller, veröffentlichten ebenfalls kürzlich ein Buch über die Russland-Affäre.

Im Vorwort schreibt Mueller, die Einflussversuche Russlands seien nicht vorbei. Auch die britischen und amerikanischen Geheimdienste gaben gerade erst neue Warnungen heraus – die Versuche Russlands und Chinas, Wahlen im Ausland zu beeinflussen, seien in vollem Gange.

Im gegenwärtigen Wahlkampf spielt das bislang eine untergeordnete Rolle. Das liegt nicht nur daran, dass andere Themen die Schlagzeilen beherrschen und viele Menschen die Ergebnisse der Mueller-Untersuchung vergessen haben mögen. Viele Amerikaner haben einfach andere Sorgen, die sie stärker mit dem Wahlkampf verbinden. Die Gefahr sei aber nicht kleiner geworden, sagt auch Steele. Auch, wenn Informationen über mögliche Einflussversuche oftmals vage bleiben müssten, könnten er und andere einen Gesamteindruck schildern, den sie aus jahrelangen Kontakten mit russischen Quellen hätten.

Quellen:

- https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/einfluss-von-putin-auf-trump-warnung-von-ex-mi6-spion-110051970.html

- https://www.faz.net/aktuell/politik/thema/wladimir-putin

- https://www.spiegel.de/ausland/donald-trump-christopher-steele-liefert-neue-details-zu-russland-verbindungen-a-135f6d75-76b3-4a9d-82e9-1da928366e12

- https://www.tagesschau.de/faktenfinder/russland-desinformation-fiona-hill-101.html

- https://www.stern.de/politik/ausland/donald-trump--ex-spion-steele-steht-zu-bericht-ueber-sex-party-in-moskau-35137774.html

- https://www.blaetter.de/ausgabe/2019/mai/mueller-report-geschenkter-sieg-fuer-trump

- https://www.spiegel.de/thema/donald_trump/p2/

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