19.10.2024
Friedensfrage bremst Koalitionsverhandlungen in Thüringen

Die Regierungsbildung in Thüringen gestaltet sich weiterhin schwierig. Während die Sondierungsgespräche zwischen CDU, SPD und BSW abgeschlossen sind und erste Projekte bereits feststehen, sorgt die Friedensfrage für Unstimmigkeiten. Wie die "Augsburger Allgemeine" berichtet, stellt die Wagenknecht-Partei Bedingungen vor dem Eintritt in offizielle Koalitionsverhandlungen.

BSW-Landeschefin Katja Wolf erklärte, dass ohne eine Klärung der Friedensfrage Koalitionsverhandlungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage kämen. Das Thema sei der Knackpunkt, "bei aller Freude über das Erreichte im Sondierungspapier", so Wolf. Das Papier selbst, das wichtige Punkte wie innere Sicherheit und soziale Gerechtigkeit beinhaltet und in dem sich laut Wolf die Handschrift des BSW widerspiegelt, wurde vom Vorstand einstimmig angenommen.

Die CDU hingegen, die mit ihrem Parteichef Mario Voigt den nächsten Ministerpräsidenten stellen möchte, gab grünes Licht für die Aufnahme von Verhandlungen für eine sogenannte Brombeer-Koalition.

Konkret fordert das BSW Nachverhandlungen und will einen Formulierungsvorschlag für einen Passus in der Präambel eines möglichen Koalitionsvertrags vorlegen. Dieser soll sich mit dem Thema Frieden befassen. Wie der Co-Landesvorsitzende Steffen Schütz gegenüber der "Augsburger Allgemeinen" ausführte, gehe es dabei um mehr Diplomatie zur Beendigung des Ukraine-Krieges und ein Nein zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.

CDU-Chef Voigt zeigte sich gegenüber Gesprächen zur Friedensfrage offen, diese sollten aber erst zu Beginn der kommenden Woche stattfinden. "Das kann der nächste Schritt sein. Ich bin da optimistisch.", so Voigt.

Wolf betonte, dass die Entscheidung in Erfurt nicht von Parteigründerin Sahra Wagenknecht beeinflusst worden sei. Es habe zwar einen engen Austausch mit Berlin gegeben, die Entscheidung selbst sei aber in Thüringen gefallen. Wagenknecht hatte im Vorfeld immer wieder betont, dass sich mögliche Koalitionsregierungen mit Beteiligung des BSW zu mehr diplomatischen Bemühungen und gegen US-Waffenstationierungen bekennen müssten.

Für die weiteren Verhandlungen sei die Einigung über das Sondierungspapier entscheidend, so Voigt gegenüber der "Augsburger Allgemeinen". Darin habe der Schwerpunkt zunächst auf Thüringer Themen gelegen. Voigt räumte aber auch ein, dass einige in der CDU Bedenken wegen der Rolle von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht und "ihrer bundespolitischen Perspektive" hätten.

Die drei Parteien wollen trotz fehlender Mehrheit im Landtag keine Tolerierungs- oder Duldungsvereinbarung mit der Linken abschließen. Stattdessen soll ein neues Konsultationsmodell im Landtag erprobt werden, um zu Mehrheiten zu kommen. Geplant ist ein Konsultationsverfahren mit allen fünf Fraktionen im Landtag, also auch mit Linke und AfD.

Bei diesem Verfahren sollen laut Andreas Bühl, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion, alle Landtagsfraktionen zu Eckpunkten geplanter Gesetze oder Anträge der möglichen Dreierkoalition innerhalb einer Frist ihre Meinung sagen können. Anhand des Ergebnisses entscheide die Regierung dann, ob sie ihre Vorhaben im Landtag weiterverfolgt oder nicht. Mit diesem Verfahren werde auch der Wählerwille respektiert, so Bühl. Alle drei Partner einer möglichen Brombeer-Koalition schlossen eine Zusammenarbeit mit der Thüringer AfD unter Björn Höcke erneut aus.

Zu den bereits feststehenden Projekten gehören unter anderem der Einstieg in eine Entlastung der Eltern bei den Hortgebühren für Schulkinder sowie ein kostenloses Schulessen. Außerdem sollen Wege zur Einführung eines Landespflegegeldes oder eines Pflegegehalts für pflegende Angehörige geprüft werden. Die drei Parteien verständigten sich darauf, die Schuldenbremse einzuhalten, aber durch eine zeitliche Streckung der Schuldentilgung Spielraum für mehr Investitionen zu schaffen.

Das mögliche neue Regierungsbündnis, das die rot-rot-grüne Regierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ablösen möchte, verfügt im Landtag nicht über eine Mehrheit. Es kann lediglich auf 44 von 88 Sitzen im Thüringer Parlament zählen.

Quellen:

  • https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/regierungsbildung-in-thueringen-thueringer-bsw-will-nachverhandlungen-zu-friedensfrage-103148955
  • https://www.zeit.de/news/2024-10/19/wolf-erwartet-kompromiss-in-friedensfrage
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