Nach über 140 Jahren endet in Großbritannien die Ära der Kohleverstromung. Wie die Zeitung „Times“ und andere Medien berichten, wird das letzte Kohlekraftwerk des Landes in Ratcliffe-on-Soar südwestlich von Nottingham stillgelegt. Damit ist das Vereinigte Königreich das erste wohlhabende Industrieland, das vollständig aus der Kohle aussteigt. Die Denkfabrik E3G betonte die Bedeutung dieses Schrittes und bezeichnete Großbritannien als „Geburtsort der Kohleverstromung“, der nun kurz davor stehe, „kohlefrei zu werden“.
Die Entscheidung für den Kohleausstieg fiel bereits unter der konservativen Regierung des damaligen Premierministers Boris Johnson, der den Ausstieg im Juni 2021 um ein Jahr vorgezogen hatte. Zukünftig soll die Stromerzeugung in Großbritannien ausschließlich aus sauberen Energiequellen erfolgen.
Der Energie-Staatssekretär Michael Shanks von der sozialdemokratischen Labour-Partei, die seit Anfang Juli die Regierung stellt, würdigte die Leistung der Kohlearbeiter, die das Land über 140 Jahre lang mit Energie versorgt haben. „Die Kohleära mag zwar enden, aber ein neues Zeitalter guter Arbeitsplätze im Energiesektor beginnt jetzt erst für unser Land“, sagte Shanks. Zu den neuen Arbeitsfeldern zählten unter anderem die Windkraft und innovative Technologien wie die CO2-Abscheidung und -Speicherung.
Shanks betonte die Bedeutung dieser Entwicklung für die Energiesicherheit und -unabhängigkeit Großbritanniens. Die neuen Technologien würden dazu beitragen, Familien vor den Auswirkungen internationaler Preissteigerungen für fossile Brennstoffe zu schützen, Arbeitsplätze zu schaffen und den Klimawandel zu bekämpfen. Großbritannien solle zu einer „Supermacht im Bereich saubere Energie“ werden.
Noch vor rund 100 Jahren wurde in Großbritannien fast der gesamte Strom durch Kohleverbrennung erzeugt. Heute spielt Kohle im Energiemix des Landes nur noch eine marginale Rolle. Im Jahr 2023 lag der Anteil bei lediglich 1,3 Prozent. Der vergleichsweise frühe Kohleausstieg in Großbritannien im Vergleich zu Deutschland ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass das Land weiterhin auf Atomkraft zur Energiegewinnung setzt. In Deutschland ist der Kohleausstieg hingegen erst für 2038 geplant, obwohl die Ampelkoalition eine Vorziehung auf 2030 anstrebt.
Seit der Inbetriebnahme des ersten Kohlekraftwerks im Jahr 1882 wurden in Großbritannien laut dem Klima-Portal „Carbon Brief“ insgesamt 4,6 Milliarden Tonnen Kohle verbrannt und 10,4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. Dies entspricht einer höheren CO2-Bilanz, als die meisten anderen Länder jemals aus allen Quellen zusammengenommen produziert haben.
Der britische Klima-Regierungsberater Chris Stark bezeichnete den Kohleausstieg im Gespräch mit der „Times“ als wichtigen Schritt, der Großbritannien „weit voraus gegenüber anderen G7-Volkswirtschaften“ bringe. Auch Michael Lewis, Chef des Kraftwerkbetreibers Uniper, sprach von einer „enorm großen Sache – lokal, national, international“. Das Kraftwerk in Ratcliffe-on-Soar wurde 1968 in Betrieb genommen. Im Juni dieses Jahres lieferte ein Zug die letzte Kohleladung von 1.650 Tonnen.
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