19.10.2024
Lebensversicherungen im Fokus: BaFin mahnt zur Reform und mehr Kundentransparenz

Versicherungswirtschaft: Hohe Kosten, wenig Nutzen - Bafin kritisiert Lebensversicherungen scharf

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat in einer aktuellen Untersuchung der Lebensversicherer erhebliche Mängel in den angebotenen Produkten festgestellt. Insbesondere die hohen Kosten und der geringe Nutzen für die Kunden stehen im Fokus der Kritik. Julia Wiens, die Leiterin der Versicherungsaufsicht bei der BaFin, äußerte sich auf einer Fachtagung besorgt über die Ergebnisse der Analyse, die bei 13 Lebensversicherern durchgeführt wurde. Die Behörde plant, weitere Unternehmen unter die Lupe zu nehmen.

Wiens stellte fest, dass viele fondsgebundene Lebensversicherungen nicht den erforderlichen Kundennutzen bieten. In einigen Fällen seien die Effektivkosten für Kunden, die ihre Verträge vorzeitig kündigen, alarmierend hoch. Diese Kosten können bis zu vier Prozent der insgesamt eingezahlten Beiträge betragen. „Das muss man erst einmal durch die Kapitalanlagen verdienen“, so Wiens. Sie stellte die Frage in den Raum, welche Rendite die Fonds in diesen Produkten tatsächlich erzielen und ob die Versicherer solche Produkte guten Freunden empfehlen würden.

Die BaFin berichtete zudem, dass die vorzeitige Kündigung von Lebensversicherungen keine Seltenheit ist. Nach 40 Jahren haben rund 70 Prozent der Kunden ihre Verträge gekündigt, was oft zu finanziellen Verlusten führt. Diese hohen Kündigungsquoten werfen ein Licht auf die Unzufriedenheit der Kunden mit den angebotenen Produkten.

Ein weiterer Kritikpunkt der BaFin sind die Rückvergütungen, die Fondsgesellschaften an Vertriebe zahlen, um ihre Produkte zu verkaufen. Diese zusätzlichen Kosten werden letztlich von den Kunden getragen. Besonders im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Policen der Generali, die über den großen Vertrieb DVAG verkauft werden, wurde diese Praxis deutlich. Unter Druck der BaFin hat Generali nun zugesagt, einen Teil der Kosten an Kunden zurückzuerstatten, die zwischen 2021 und 2023 Verträge abgeschlossen haben.

Im Juli 2024 gab die Targo Lebensversicherung, die zur Talanx-Gruppe gehört, bekannt, drei ihrer Lebensversicherungsangebote vom Markt zu nehmen. Dies geschah aufgrund der hohen Kündigungsquoten, die der BaFin aufgefallen waren. Wiens bezeichnete solche Praktiken, die einseitig zu Lasten der Versicherten gehen, als inakzeptabel. „Wenn ein angemessener Kundennutzen fehlt, ist das ein Missstand, wie er im Buche steht“, erklärte sie.

Die BaFin hat verschiedene Möglichkeiten, um auf die festgestellten Missstände zu reagieren. Dazu gehört unter anderem das Verbot des Vertriebs bestimmter Produkte oder der Vertrieb über spezielle Vertriebsgesellschaften. Auch Maßnahmen gegen einzelne Vorstandsmitglieder sind denkbar, wenn deren fachliche Eignung aufgrund der Missstände in Frage steht. Dies könnte von einem missbilligenden Schreiben bis hin zu einer Abberufung reichen.

Zusätzlich fordert die BaFin die Versicherer auf, auch den Umgang mit bereits abgeschlossenen und stornierten Verträgen zu überprüfen. Wiens betonte, dass auch die Aktionäre der Lebensversicherer in der Verantwortung stehen, da sie von den Produkten mit mangelndem Kundennutzen profitiert haben.

Die Kritik der BaFin an den Lebensversicherern ist Teil eines größeren Trends, der die Versicherungsbranche in Deutschland betrifft. Die hohen Kosten und die unzureichenden Renditen der Lebensversicherungen haben zu einer wachsenden Unzufriedenheit bei den Kunden geführt. Viele Verbraucher fragen sich, ob sich der Abschluss einer Lebensversicherung überhaupt noch lohnt, insbesondere angesichts der steigenden Inflationsraten und der damit verbundenen Renditeerwartungen.

Insgesamt zeigt die Untersuchung der BaFin, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um die Lebensversicherungsprodukte für die Kunden attraktiver zu gestalten. Die Behörde hat deutlich gemacht, dass sie nicht nur die aktuellen Produkte, sondern auch die Vertriebspraktiken der Versicherer genau beobachten wird. Die Zukunft der Lebensversicherungen in Deutschland könnte von diesen Entwicklungen erheblich beeinflusst werden, da sowohl die Aufsicht als auch die Verbraucher ein wachsendes Interesse an fairen und transparenten Finanzprodukten zeigen.

Die BaFin hat sich verpflichtet, die festgestellten Missstände zu beheben und die Lebensversicherer dazu zu bringen, ihre Produkte und deren Kostenstruktur zu überdenken. Dies könnte zu einem Umdenken in der Branche führen und letztlich den Kunden zugutekommen, die auf der Suche nach einer verlässlichen Altersvorsorge sind.

Die Diskussion um die Lebensversicherungen und die Rolle der BaFin wird weiterhin ein zentrales Thema in der Finanzaufsicht und der Verbraucherpolitik bleiben. Die kommenden Monate werden zeigen, wie die Versicherer auf die Kritik reagieren und welche Maßnahmen sie ergreifen, um den Anforderungen der BaFin gerecht zu werden.

Quellen: - Süddeutsche Zeitung, Artikel über die Bafin-Kritik an Lebensversicherern - BaFin Journal, Informationen zu Effektivkosten und Produktfreigabeverfahren - Versicherungsbote, Berichte über die Lebensversicherungsbranche und deren Herausforderungen

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