September 28, 2024
Unklarheit nach Luftangriff: Schicksal von Nasrallah und humanitäre Lage in Beirut

Nach israelischem Angriff: Ungewissheit über Zustand von Hisbollah-Anführer Nasrallah

Nach einem israelischen Luftangriff auf einen Vorort von Beirut herrscht Ungewissheit über den Zustand des Hisbollah-Anführers Hassan Nasrallah. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (F.A.Z.) berichtet, wurden erste Berichte, laut denen Nasrallah den Angriff überlebt haben soll, nicht bestätigt. Die libanesische Armee wurde mobilisiert, was als Vorsichtsmaßnahme im Falle von Nasrallahs Tod gewertet wird. Ebenso der Umstand, dass es bis zum späten Abend keine Stellungnahme der Hisbollah gab.

Das israelische Militär hatte am Freitagnachmittag nach eigenen Angaben das Hauptquartier der Hisbollah im Vorort Dahieh der libanesischen Hauptstadt Beirut angegriffen. Es habe sich unter einem Wohngebäude befunden, wie ein israelischer Militärsprecher mitteilte. Ziel des Angriffs war einem Medienbericht zufolge Nasrallah.

Dahieh befindet sich im Süden von Beirut. Die Detonation war so heftig, dass noch in benachbarten Vierteln die Scheiben wackelten. Es dürfte der heftigste Luftangriff sein, den die israelische Luftwaffe bisher in der libanesischen Hauptstadt Beirut geflogen ist. Israelische Medien berichteten, dass die israelischen F-35-Kampfflugzeuge knapp 1000 Kilo schwere bunkerbrechende Bomben auf mehrere Gebäude in dem angegriffenen Gebiet abwarfen. Videos zeigen Folgeexplosionen und mehrere Rauchpilze. Aus Sicherheitskreisen hieß es gegenüber der F.A.Z., unter den Gebäuden habe ein verzweigtes Tunnelsystem gelegen, das bis zu 30 Meter unter die Erde und mutmaßlich in andere Gegenden reiche.

Bei anderen Angriffen auf die Hisbollah-Führung sind zuletzt viele Zivilisten getötet worden. Seit dem Beginn der israelischen Luftangriffskampagne sind viele Menschen aus den südlichen Vorstädten Beiruts geflohen.

Rettungskräfte suchen nach Überlebenden - Zahl der Todesopfer unklar

Nach dem massiven israelischen Luftangriff in einem Vorort von Beirut suchen Retter nach Überlebenden. Mehrere Gebäude seien in dem dicht besiedelten Vorort Haret Hreik zerstört worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur NNA. Es könnte deshalb Dutzende oder sogar Hunderte Tote geben.

Die Zeitung „Haaretz“ berichtete unter Berufung auf israelische Regierungsvertreter, es seien schätzungsweise 300 Menschen getötet worden. Das libanesische Gesundheitsministerium sprach indes in einer ersten Mitteilung von zwei Toten und 76 Verletzten. Diese Zahlen könnten aber steigen, weil viele Opfer noch unter Trümmern liegen dürften. Auf Videos vom Ort des Angriffs waren große Trümmerberge zu sehen.

Israelische Armee ruft Einwohner zur Flucht auf

Nach dem massiven Luftangriff des israelischen Militärs in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut fordert die Armee einige Einwohner in der Gegend zur Flucht auf. Dies gelte für die Menschen, die in der Nähe bestimmter Gebäude lebten, die von der schiitischen Hisbollah-Miliz genutzt würden, hieß es in einem Aufruf, den ein israelischer Militärsprecher in arabischer Sprache veröffentlichte.

Zu ihrer eigenen Sicherheit sollten sich die Menschen den Angaben nach mindestens 500 Meter von den Gebäuden fernhalten. In dem Aufruf zeigten Karten die genauen Orte, für die Israel zur Evakuierung aufrief. Derartige Evakuierungsaufrufe waren im Gazakrieg bislang in der Regel ein Anzeichen für bevorstehende neue israelische Angriffe.

Örtlichen Medien zufolge flohen viele Menschen aus der Gegend. Im Viertel Lailaki strömten die Menschen Videos in sozialen Netzwerken zufolge auf die Straße – offenbar, um das Gebiet rasch zu verlassen.

Hisbollah feuert Raketen auf israelische Stadt Safed

Laut der israelischen Armee wurden in den letzten Stunden 65 Raketen aus Libanon auf den Norden Israels abgefeuert. Dabei wurde laut der Armee ein Haus in Safed direkt von einer Rakete getroffen. Laut der israelischen Zeitung Haaretz soll es bei dem Einschlag keine Verletzten gegeben haben. Auf ihrem X-Account verbreitete die israelische Armee ein Video, das den Einschlag zeigt.

Die Hisbollah erklärte ihrerseits, die Stadt Safed angegriffen zu haben. Kämpfer hätten „Raketensalven“ auf die Stadt abgefeuert, „um den Libanon und sein Volk zu verteidigen und um auf israelische Angriffe" auf Zivilisten zu reagieren, hieß es in einer Erklärung der Schiitenmiliz.

Unterdessen setzte die israelische Armee weitere Ziele im Süden Libanons angegriffen zu haben. Darunter seien Abschussrampen und „Strukturen, in denen Waffen gelagert wurden“.

Internationale Reaktionen und diplomatische Bemühungen

Irans Oberster Führer, Ali Khamenei, hat den Nationalen Sicherheitsrat laut der Zeitung „New York Times“ zu einer Notfallsitzung zusammengerufen. Die Zeitung beruft sich auf zwei namentlich nicht genannte iranische Beamte. Bei dem Treffen soll es um den israelischen Angriff in Beirut gehen, der den Anführer der mit Iran verbündeten Hisbollah-Miliz zum Ziel hatte. Ein Berater Khameneis sagte, Israel habe mit dem Angriff „alle roten Linien überschritten“. Er fügte hinzu, dass alle beim dem Angriff Getöteten ersetzt werden könnten.

Israel hofft einem hochrangigen Regierungsvertreter zufolge, nicht in Libanon einmarschieren zu müssen. Nach Angaben des Vertreters ist es zu früh, um zu sagen, ob Hisbollah-Chef Sajjed Hassan Nasrallah nach einem israelischen Luftangriff am Abend noch am Leben sei. Einige Menschen seien nicht zu ersetzen, sagt der Insider. Nasrallah dürfte einer davon sein.

Die USA hatten nach eigener Darstellung vorab keine Kenntnis von dem massiven israelischen Luftangriff nahe Beirut. „Die Vereinigten Staaten waren nicht an diesem Einsatz beteiligt und wir wurden nicht vorab gewarnt“, sagte die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und sein israelischer Kollege Joav Galant hätten miteinander telefoniert, als der Einsatz bereits im Gange gewesen sei, fügte sie hinzu.

Nach den Worten von Außenminister Antony Blinken bemühen sich die USA weiter intensiv um einen diplomatischen Ausweg aus der Gewaltspirale im Nahen Osten. „Der Weg der Diplomatie mag derzeit schwer zu erkennen sein, aber er ist da und wir halten ihn für notwendig", sagte Blinken am Freitag vor Journalisten in New York.

„Wir werden weiter intensiv daran arbeiten", versicherte Blinken. Als Erstes müsse die Diplomatie versuchen, „das Feuern in beide Richtungen zu stoppen". Die dann gewonnene Feuerpause müsse genutzt werden, um eine breiter angelegte diplomatische Einigung zu erzielen.

Quellen:

- Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.): https://www.faz.net/aktuell/politik/krieg-in-nahost/liveticker-zum-krieg-in-nahost-ungewissheit-ueber-zustand-nasrallahs-nach-israelischem-angriff-faz-19972506.html - The New York Times - Haaretz - Nationale Nachrichtenagentur (NNA)
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