Die Finanzlage der deutschen Pflegeversicherung steht 2025 vor großen Herausforderungen. Wie die Zeit unter Berufung auf eine Meldung der dpa berichtet, schloss die Pflegeversicherung das Jahr 2024 mit einem Defizit ab und steht trotz kürzlich erfolgter Beitragserhöhungen vor weiteren Finanznöten. Doris Pfeiffer, Chefin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), der auch die Pflegekassen vertritt, bezeichnete die Lage gegenüber der dpa als „so ernst wie noch nie“. Die Beitragserhöhung zu Jahresbeginn habe das Finanzierungsproblem nicht gelöst, sondern lediglich aufgeschoben. Es reiche bestenfalls, um die Ausgabensteigerungen in diesem Jahr auszugleichen. „Aber für 2026 reicht das dann keinesfalls mehr.“
Pfeiffer warnte, dass im Februar einzelne Pflegekassen möglicherweise Liquiditätshilfe aus einem Ausgleichsfonds benötigen könnten. Zwar sei durch dieses Verfahren die Zahlungsfähigkeit aller Pflegekassen in diesem Jahr sichergestellt. Sollte die neue Bundesregierung nach der Wahl jedoch nicht schnell handeln und Maßnahmen zur finanziellen Stabilisierung ergreifen, stehe die Pflegeversicherung im nächsten Jahr vor einer existenziellen Krise, so Pfeiffer gegenüber der dpa.
Das Defizit 2024 beläuft sich voraussichtlich auf 1,55 Milliarden Euro, wie aus Daten des Spitzenverbands hervorgeht. Ein endgültiges Ergebnis wird Mitte Februar erwartet. Für 2025 wird derzeit ein kleines Minus von 300 Millionen Euro prognostiziert. Dies ist auf die erneute Erhöhung des Beitrags zum 1. Januar 2025 um 0,2 Prozentpunkte zurückzuführen, nachdem dieser zuletzt im Sommer 2023 angehoben worden war. Die Beitragserhöhung soll Mehreinnahmen von 3,7 Milliarden Euro pro Jahr generieren. Gleichzeitig steigen aber auch die Kosten. Im vergangenen Jahr stiegen die Leistungsausgaben um rund elf Prozent, so Pfeiffer. „Für dieses Jahr erwarten wir ebenfalls einen Anstieg deutlich über elf Prozent. Damit wird die Pflegeversicherung erstmals über 70 Milliarden Euro ausgeben.“
Für die steigenden Kosten gibt es mehrere Gründe. Wie die Zeit die dpa zitiert, steigt die Zahl der Leistungsbeziehenden „sehr dynamisch“. Zum Jahresbeginn wurden zudem alle Zahlungen für Pflegebedürftige zu Hause und im Heim um 4,5 Prozent angehoben, wie es eine Reform der Ampel-Koalition von 2023 festlegte. Diese Erhöhung kostet 1,8 Milliarden Euro, die den Pflegebedürftigen laut Gesundheitsministerium nun mehr zur Verfügung stehen. Zusätzlich zahlen die Pflegekassen immer mehr, um steigende Eigenanteile für Pflegebedürftige abzumildern. Die Pflegeversicherung trägt – anders als die Krankenversicherung – nur einen Teil der Kosten.
Es gibt zahlreiche Ideen, wie die Pflege zukunftsfest gemacht werden kann, so Pfeiffer. Es sei wichtig, dass die Parteien im Wahlkampf ihre Konzepte vorstellen. Um die Pflegeversicherung nach Jahren der Unsicherheit zu stabilisieren, sollte die neue Bundesregierung einen breiten gesellschaftlichen Konsens für eine Reform anstreben.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte eine größere Finanzreform angestrebt, die nach dem Bruch der Ampel-Koalition jedoch scheiterte. Pfeiffer fordert, dass der Bund seinen Verpflichtungen nachkommt. Gelder zur Finanzierung von Corona-Maßnahmen müssten an die Pflegeversicherung zurückgezahlt und Rentenbeiträge für pflegende Angehörige dauerhaft übernommen werden.
Die Pflege ist bereits ein Wahlkampfthema. Die SPD will die Eigenanteile für die reine Pflege im Heim auf 1.000 Euro im Monat begrenzen. Im Sommer lagen diese im bundesweiten Schnitt im ersten Jahr im Heim bei gut 1.400 Euro, zuzüglich Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Die Union nennt in ihrem Programm unter anderem Steuermittel und „bezahlbare Pflegezusatzversicherungen“. Die FDP strebt neben Beiträgen „eine kapitalgedeckte Komponente“ an. Die Grünen wollen versicherungsfremde Leistungen „angemessener über den Staat finanzieren“.
Zusätzlich zu den bereits genannten Quellen, beleuchten auch wissenschaftliche Artikel die Herausforderungen der Pflegeversicherung. So diskutieren Fetzer und Hagist (2021) im Wirtschaftsdienst die Reformvorschläge von Jens Spahn und deren ordnungs- und verteilungspolitische Implikationen. Breyer und Lorenz (2020) analysieren im selben Magazin die Nachhaltigkeit der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und simulieren die zukünftige Entwicklung der Beitragssätze. Ein weiterer Artikel von Lüngen (2020) im Sammelband "Optionen einer Pflegebürgerversicherung" untersucht die Möglichkeiten eines Ausbaus solidarischer Finanzierungsoptionen und den Weg zur Pflegebürgerversicherung.
Quellen:
https://www.zeit.de/news/2025-01/26/pflegeversicherung-finanzlage-ernst-wie-nie
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/pflegeversicherung-faehrt-minus-ein-101.html
https://link.springer.com/article/10.1007/s10273-020-2716-1
https://web.archive.org/web/20201108152646/https:/link.springer.com/content/pdf/10.1007/978-3-662-61362-7_14.pdf